Ein Hirn auf Abwegen oder was ein Messer mit natürlichem Viagra zu tun hat
Ist das hier ein Küchenmesser-Tipp oder ein Hintergrundartikel über Bäume? Wahrscheinlich beides. Vor allem aber ein Einblick in meine Psyche.
Eigentlich wollte ich über ein Messer schreiben. Ein gutes Santokumesser, das mein altes Ikea-Glump preislich wie auch qualitativ in die Ecke stellt. Es schneidet wie Sau, was kürzlich mein Finger beim Abwasch zu spüren bekommen hat, und ist aus einem Stück handgeschmiedet und beidseitig geschliffen. Der Griff ist aus Prättigauer Walnussholz.
Während ich das Holz betrachte, denke ich an ein Buch, das ich mir letzthin gekauft habe. «Bäume, tief verwurzelt» heisst es und enthält Fakten, Mythen und schöne Illustrationen zu Bäumen. Sofort suche ich nach dem Kapitel über Walnussbäume und beginne zu lesen. Das Messer ist vergessen. (Wenn du noch sehr stark ans Messer denkst, dann scrolle zum zweitletzten Abschnitt, da erfährst du noch ein wenig mehr.)
Wusstest du, dass die Walnuss …
Auf den sechs Buchseiten, erfahre ich, dass die Blätter der echten Walnuss (juglans regia) nach grünen Äpfeln riechen, wenn man sie in der Hand zerreibt. Auch wurden die Früchte des Baums – also Walnüsse oder hierzulande etwas unspezifisch auch Baumnüsse genannt – im alten Rom an Hochzeiten verstreut, da sie als Fruchtbarkeitssymbol schlechthin galten. Später wurde die Nuss zum Symbol des weiblichen Geschlechtsorgans. Kein Wunder, die Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen.
Natürliches Viagra
Oder noch ein interessanter Fakt: Malaysische Wissenschaftler haben aus Walnüssen ein natürliches Viagra hergestellt. «N-Hanz» haben sie es getauft. Die Wirkung der Pille ist gar empirisch bewiesen. Trotzdem habe ich online nur drei Artikel aus dem Jahr 2007 gefunden, danach ward nie mehr etwas gehört. Schade eigentlich, wäre sicher eine gute Alternative zur blauen Pille gewesen.
Hexentreffpunkt
Eine kleine italienische Gemeinde wäre dagegen froh gewesen, wenn sie von ihrem Nussbaum nie mehr etwas gehört hätten. Eine Sage berichtet, dass sich im Dorf Benevento, in der Nähe des Vesuvs, Feen, Zauberer und Hexen aus ganz Europa an einem Nussbaum versammelt haben sollen. Barbatus, der Bischof des Ortes, liess den Baum im 7. Jahrhundert fällen, um dem Spuk ein Ende zu setzen. Das klappte aber nicht ganz, da der Baum wieder nachwuchs. Barbatus hätte lieber eine Birke daneben gepflanzt, denn die scheint vor Hexerei zu schützen. So zumindest besagt es ein alter Volksglaube. In den Birken waren oft mistelähnliche Pflanzengebilde zu sehen, die an Hexenbesen erinnerten, was den Leuten signalisierte, dass die Hexen in der Birke hängen geblieben waren. Heute weiss man, dass es sich um einen Pilz handelt, der es auf Birken abgesehen hat.
Gehirnspezialist
Neben Potenzsteigerung soll die Walnuss noch andere medizinische Heilkräfte besitzen. Der Schweizer Arzt Paracelsus vertrat nicht nur die Ansicht, dass die beiden biologischen Geschlechter unterschiedlich behandelt werden sollten, sondern auch die, dass sich aus Form und Farbe von Pflanzen Rückschlüsse auf deren Wirkung ziehen liessen. Da die Walnuss nicht nur wie eine Vagina, sondern auch ein Gehirn aussieht, sollte sie also Gehirnkrankheiten heilen. So daneben lag Paracelsus mit beiden Annahmen nicht. Noch heute gilt die Nuss als super Nervennahrung und in der Medizin häufen sich die Stimmen, die auf biologische Unterschiede bei Symptomen und Medikamentenverträglichkeit hinweisen.
Zurück zum Messer
Jetzt hast du nicht nur viele Anekdoten zur Walnuss, die du ab sofort nonchalant beim Apéro-Smalltalk einstreuen kannst, sondern auch einen Einblick in mein Gehirn erhalten. Das gerät sehr schnell auf Abwege, die aber oft ganz lehrreich sind. Falls du eher zum Typ «Fokus halten» gehörst und dich trotz geballter Nuss-Unterhaltung und -Information doch noch fragst, was das eigentlich für ein tolles Messer ist, über das ich da am Anfang geschrieben habe, will ich auch dieses Geheimnis noch lüften. Es handelt sich um das Santokumesser von Güde aus der Caminada-Reihe und ist wirklich empfehlenswert, wenn du Zeit hast, zwei Monate darauf zu warten.
Nicht thematisiert wurde im Buch übrigens, weshalb die Walnuss – wie alle anderen Nüsse – eigentlich so unglaublich teuer ist? Jedes Mal, wenn ich eine Packung aus dem Regal nehme, zucke ich kurz zusammen und bin verunsichert, ob ich mir den Luxus wirklich leisten will. Ist die Ernte so klein? Geht’s 100 Jahre, bis überhaupt einmal geerntet werden kann? Oder gibt’s einfach irgendwo ein Nusskartell? Falls du mehr weisst, melde dich.
Meinen Horizont erweitern: So einfach lässt sich mein Leben zusammenfassen. Ich liebe es, neue Menschen, Gedanken und Lebenswelten kennenzulernen,. Journalistische Abenteuer lauern überall; ob beim Reisen, Lesen, Kochen, Filme schauen oder Heimwerken.