HMD Barbie Phone
2.80", 128 MB, 0.30 Mpx, 4G
Das neue Barbie-Phone von HMD ist bunt und auffällig. Es läuft ohne moderne Apps, dafür mit Kultspiel Snake und physischer Tastatur. Komme ich damit durch den Alltag?
Pink, glitzernd und aufklappbar. Das neue Flip-Phone von HMD gibt mir die Welt von Barbie direkt an die Hand. Mit einem fröhlichen «Hey Barbie» werde ich beim Einschalten des SmartPhones begrüsst. Smart ist es nicht. Dafür sehr Barbie-like: mit bunten Anhängern und Hüllen, pinken Icons und Barbie-Snake.
Ich kann mit dem Barbie-Phone telefonieren und Textnachrichten schreiben. Praktische Dinge wie ein MP3-Player und ein Kalender sind ebenfalls installiert. Touchscreen? Fehlanzeige. Der Internet-Browser? Viel zu schlecht. So ein Gerät wird heute auch «Feature Phone» genannt. HMD möchte damit einen bewussteren Umgang mit dem Handy fördern. Deshalb gibt es auch eine App mit Tipps zum digitalen Gleichgewicht auf dem Gerät. Aber reichen mir die vorhandenen Funktionen im Jahr 2024? Ich teste es für zwei Wochen. Na gut, ich schaffe nicht ganz zwei. Dabei fängt es so gut an.
Das Auspacken macht nämlich riesig Spass: HMD hat zum Phone viel Zubehör beigelegt. Von einer bunten Handy-Kette mit diversen Anhängern bis zu wechselbaren Rückseiten und Stickern. In einem Zeitalter, in dem jedes Smartphone gleich aussieht, eine erfrischende Abwechslung.
Um zwei Wochen ohne Internet unterwegs sein zu können, merze ich zuerst alle Probleme möglichst aus. Meine Brieftasche macht beispielsweise endlich wieder Sinn. Ob für Bank- oder Bahnkarte der SBB.
Apps wie Telegram, Signal und Whatsapp kann ich zur Kommunikation nicht nutzen. Ich warne meine Kontakte also vor, dass ich tagsüber nur SMS lesen oder Telefonanrufe entgegennehmen kann.
Mühsam ist meine Kontaktliste. Sie lässt sich nicht wie früher auf der SIM-Karte abspeichern. Dafür sind die heutigen Kontaktlisten viel zu komplex, Mail- und Versandadressen, Geburtstage und so weiter. Deshalb übertrage ich die wichtigsten Kontakte händisch auf das Barbie-Phone. Es kann sich nur um Stunden handeln …
Musikhören per Spotify und Tidal kann ich vergessen. Also suche ich mir von meiner alten Festplatte die MP3-Dateien meiner CD-Sammlung zusammen. Schwierig ist lediglich das Übertragen auf das Barbie-Phone: Mir stehen gerade einmal 10 Megabyte zur Verfügung. Das reicht nicht einmal für den Song Hells Bells von ACDC. Also muss eine microSD her. Meine 64-GB-Karte ist allerdings zu gross. Das Phone ist nur bis 32 GB kompatibel. Also organisiere ich eine kleine Speicherkarte und bin endlich erfolgreich. Denke ich vorerst.
Mein Grundbedürfnis bei einem Handy ist das Versenden von Nachrichten. Nachdem ich meine Freunde darüber informiert habe, dass aktuell nur SMS möglich sind, erhalte ich bereits eine erste Nachricht auf meinem Barbie-Phone.
Ich freue mich riesig und erinnere mich gleich an früher. Als noch jede SMS wertvoll war und ich nicht auf den ersten Blick sah, wer genau geschrieben hat. Heute ist der Grund zur Freude ein anderer. Ich bekomme eine SMS, obwohl es nicht mehr der Norm entspricht. Die Freude ist noch grösser, als ein Kollege über ASCII-Emojis kommuniziert. Es artet in einem kreativen Wettstreit aus.
Aber die Freude verfliegt schnell. Die Tastatur ist nicht besonders angenehm zum Tippen und natürlich brauche ich viel länger als mit einer Touchscreen-Tastatur. Das liegt auch an der Anordnung der Buchstaben. Schon als Teenager wusste ich: Ein Handy mit Computer-Tastatur ist viel effizienter, als dreimal auf dieselbe Taste zu tippen für ein ‘C’. Mein letztes Feature-Phone hatte deshalb eine Computer-Tastatur.
Ebenfalls ist die Darstellung nicht so schön übersichtlich wie auf meinem grossen Smartphone-Bildschirm. Das Positive: Ich beschränke mich wieder auf das Nötigste. Meistens rufe ich bei komplexeren Themen direkt an. Glücklicherweise habe ich redselige Freunde, die sich über meine Anrufe freuen.
Was absolut nicht mehr zeitgemäss ist: MMS. Bilder kann ich deshalb keine versenden, weil der Dienst hierzulande schon vor längerer Zeit abgestellt wurde. Andere Möglichkeiten bietet das Barbie-Phone nicht.
Die Kamera macht absolut grauenhafte Bilder. Das liegt nicht nur am kitschigen Barbie-Rahmen, den ich für die Fotos einstellen kann, sondern auch an den 0,3 Megapixeln – und der Auflösung von 240 × 320 Pixeln.
Da ich bei meinen sonstigen Smartphone-Tests genau schauen muss, wie gut die Kameras jeweils abschneiden, schmunzle ich ab der schlechten Qualität. Schön zu sehen, wie weit wir inzwischen gekommen sind. Hier einige Eindrücke:
Die Spiegelfolie an der Frontseite des Geräts ist dauernd schmutzig und nicht besonders gut, weil sie mein Gesicht leicht verzerrt. Allerdings erfüllt sie ihren Zweck, um mich für ein Selfie ins Bild zu rücken.
Da ich sowieso keine Fotos versenden kann, ist die Kamera auch sonst eher überflüssig. Bin ich unterwegs und weiss, dass ich ein paar Eindrücke festhalten will, packe ich deshalb mein Smartphone ein und fotografiere bewusst, was mir wichtig ist. Wie früher mit einer Digitalkamera.
Viele nutzen ihren Smartphone-Kalender für alles und sind oft auch froh, synchronisiert er sich mit dem Kalender am PC. Ich selbst nutze eine analoge Agenda. Der Kalender auf dem Barbie-Phone bleibt deshalb leer bei mir. Für das Nötigste würde er ausreichen: Termine inklusive Notizen, Standort und Erinnerungen lassen sich hier gut eintragen. Eine Synchronisation mit dem Computer ist allerdings nicht möglich.
Tatsächlich kann ich mich auf dem Feature-Phone auch unterhalten. Zum einen gibt es Snake, den Kultklassiker von Nokia, als bunte Barbieversion mit pinker Schlange am Strand. Statt auf Social Media zu scrollen, vergnüge ich mich tatsächlich ab und zu damit, einen neuen Highscore mit der Schlange aufzustellen.
Unterwegs höre ich auch Musik. Die Alben dafür habe ich ja bereits draufgeladen. Meine Kopfhörer verbinde ich in der Theorie via Bluetooth oder Aux-Anschluss. In der Praxis ist beides mit Problemen behaftet. Eigentlich läuft das Phone mit Bluetooth 5.0. In der Praxis klingt die Musik grauenhaft. Blechern und flach. Meine MP3-Dateien sollten mit 240 Kilobit pro Sekunde qualitativ eigentlich ausreichen. Mit Kabel hört sich das Ganze sehr gut an. Nur ist der Aux-Anschluss unpraktisch an der Seite des Barbie-Phones. Auch der USB-C-Anschluss befindet sich dort. So passt das Barbie-Phone nicht mehr in die Hosentasche.
Auch sonst habe ich Unannehmlichkeiten aus früheren Zeiten: Die Lieder sind unübersichtlich in einer endlosen Liste auf dem Gerät, teils nur mit “Track 01” und dergleichen angeschrieben und die Lautstärke ist unterschiedlich. Kurz: Ich vermisse Tidal so richtig.
Der vorhandene Opera-Browser ist unbrauchbar. Die Darstellung jeglicher Webseiten ist unübersichtlich: Die Bilder und Texte werden unlesbar übereinandergelegt und viel zu klein dargestellt.
Den Akku weniger als einmal pro Tag zu laden, ist zur Seltenheit geworden. Anders ist das beim Barbie-Phone. Die wenigen Features, die das Gerät bietet, ziehen kaum Strom. Ich komme deshalb über eine ganze Woche. Und lade es anschliessend per USB-C wieder auf. Das dauert in der Regel etwa 90 Minuten.
Das Beste am Akku kommt aber erst noch. Nicht, dass er pink ist, auch wenn das ein krasser Bonus ist. Nein, der Akku ist tatsächlich nicht verklebt. Ich kann ihn also problemlos austauschen. Aber Achtung: Da ich auch sonst alles wunderbar auseinandernehmen kann, ist das Barbie-Phone dafür nicht wasserdicht.
Was ich sonst am meisten nutze, vermisse ich am allerwenigsten: Social Media. Ob Instagram, Snapchat oder Tiktok. Ich bin fast erleichtert, nicht dauernd in Versuchung zu geraten. Kein sinnloses Scrollen im Zug, in der Mittagspause und abends im Bett. Endlich krame ich wieder Bücher und Magazine hervor. Und als ich im Zug mal kurz von meinem Roman aufblicke und links und rechts von mir ebenfalls zwei Leute ein Buch lesen, muss ich schmunzeln. Manche Dinge sterben glücklicherweise nie aus.
In den Restaurants wird es ohne Smartphone bereits schwieriger: QR-Codes statt Menükarten machen es mir unmöglich, ganz ohne Smartphone auszukommen und ich muss bei der Kollegin mitgucken.
Auch Tickets und Reservationen erfordern ein Smartphone. Vieles läuft auch hier über QR-Codes. Ob Konzerte oder Kino. Bekomme ich kein physisches Ticket, versuche ich es mit Ausdrucken – nicht immer erfolgreich: Beim Kinoticket merke ich erst vor Ort, dass nur die Platznummer, aber kein Saal draufsteht.
Was ich dafür gelernt habe: Abfahrtstabellen der Bahn kann ich mir tatsächlich noch per PDF ausdrucken lassen, von jedem beliebigen Bahnhof. Meine Fahrtickets muss ich wieder am Automaten lösen, statt über die App. Wie lange das überhaupt noch möglich ist, ist zumindest bei den Schweizerischen Bundesbahnen schon länger im Gespräch.
Insgesamt bin ich froh darüber, wie sich Feature-Phones zu Smartphones entwickelt haben. Von der Musik über Online-Tickets bis zum Versenden von Fotos. Viele Funktionen möchte ich nicht mehr missen. Die guten alten Zeiten bleiben es in meiner Erinnerung. Und Social Media nutze ich künftig (hoffentlich) weniger. Alles andere ist am Smartphone einfach unglaublich praktisch. Nur der Akku: Eine Woche nicht laden zu müssen, ist wirklich ein Traum. Aber man kann wohl nicht alles haben.
Mein pinkes Testgerät ist aber nicht völlig überflüssig. Als Ausgangstelefon für Erwachsene finde ich das Barbie-Phone allerdings eher ungeeignet. Hauptsächlich, weil ich keine QR-Codes damit scannen oder anzeigen kann. Und wenigstens Whatsapp wäre praktisch. Aber auch die Tastatur dürfte etwas besser sein.
Für Kinder finde ich es in Ordnung. Es ist für den Nachwuchs ansprechend gestaltet und bietet die Möglichkeit, Mama und Papa in Notfällen zu erreichen. Dennoch brauchen die Eltern keine Angst zu haben, dass die Kinder sich ungeeignete Videos auf Youtube anschauen oder auf Instagram abhängen. Dafür ist der vorhandene Opera-Webbrowser schlichtweg nicht ausgelegt.
Willst du das Phone ohne Barbie-Schnickschnack und dafür den halben Preis bezahlen? Dann kannst du auf das Nokia 2660 Flip zurückgreifen. Das ist in etwa das gleiche Modell und neben in Pink auch in Schwarz erhältlich.
Seit ich einen Stift halten kann, kritzel ich die Welt bunt. Dank iPad kommt auch die digitale Kunst nicht zu kurz. Daher teste ich am liebsten Tablets – für die Grafik und normale. Will ich meine Kreativität mit leichtem Gepäck ausleben, schnappe ich mir die neuesten Smartphones und knippse drauf los.