Die weisse Weste von Babypuder hat dunkle Flecken
Hintergrund

Die weisse Weste von Babypuder hat dunkle Flecken

Patrick Vogt
26-3-2024

Für die einen ist Babypuder ein vielseitig anwendbarer Superheld, andere wiederum halten es wegen seiner Risiken und Gefahren für einen Bösewicht. Was steckt dahinter?

Schweissstopper, Trockenshampoo, Blasenprävention: Vor kurzem habe ich darüber geschrieben, dass Babypuder ein kleiner Tausendsassa ist, der in jeden Haushalt gehört. Vielseitig in der Anwendbarkeit und längst nicht nur darauf beschränkt, Babypopos zu pudern.

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    von Patrick Vogt

Bei der Recherche zu den verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten bin ich noch auf mehr gestossen. Tatsächlich birgt auch ein so scheinbar harmloses Produkt wie Babypulver Risiken und Gefahren. Auch darüber müssen wir reden.

Real: die Erstickungsgefahr

Kinderärztinnen und -ärzte empfehlen, kein Babypuder zu verwenden. Einerseits halten sie Windelbalsam für den besseren Hautschutz, andererseits kann der unsachgemässe Gebrauch von Babypuder gefährlich sein. Atmen Babys oder Kleinkinder grössere Mengen davon ein, kann das im schlimmsten Fall ihre Atemwege blockieren.

2011 schrieb das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung: «Talkumhaltiges Babypuder ist ein Gesundheitsrisiko». Auslöser für die Warnung war unter anderem der Fall eines zweijährigen Mädchens, das fast erstickt wäre. Das Kind hatte beim Wickeln mit einer verschlossenen Puderdose gespielt, als diese sich plötzlich öffnete. Das Mädchen atmete in der Folge eine grosse Menge an Babypuder ein und musste deswegen tagelang auf der Intensivstation behandelt werden.

Machen du und dein Kind gute Erfahrungen mit Babypuder, spricht aber grundsätzlich nichts dagegen, es weiterzuverwenden. Sei einfach sparsam beim Einpudern und stelle sicher, dass die Dose jederzeit gut verschlossen und ausser Reichweite deines Kindes ist.

In Kinderhänden hat Babypuder trotz des Namens nichts verloren.
In Kinderhänden hat Babypuder trotz des Namens nichts verloren.
Quelle: Shutterstock / 279photo Studio

Umstritten: das Krebsrisiko

Der US-Pharmahersteller Johnson & Johnson setzt bei seinem Babypuder inzwischen auf Maisstärke als Basis. Sein talkumhaltiges Babypuder hat er weltweit vom Markt genommen. Dieser Schritt ist die Konsequenz aus Zehntausenden Klagen gegen das Unternehmen, vornehmlich in den USA. Der Vorwurf: Das talkumbasierte Babypuder von Johnson & Johnson soll krebserregendes Asbest enthalten haben.

Gerade in den USA war es lange üblich, dass Frauen ihren Intimbereich mit Babypuder pflegten. In diesem Zusammenhang wollen Wissenschaftler eine Erklärung für Eierstockkrebserkrankungen gefunden haben. Deshalb auch die vielen Klagen, von denen Johnson & Johnson vor Gericht schon einige verloren hat. So hat das Oberste US-Gericht 2021 eine Milliardenstrafe für den Pharmariesen bestätigt. Geklagt hatten 22 Frauen wegen Eierstockkrebs.

Johnson & Johnson wehrt sich bis heute nach Kräften, bestreitet die Vorwürfe und betont, dass seine Talkumprodukte sicher seien. Der US-Pharmariese ging sogar so weit, die Ärzte zu verklagen, die den Zusammenhang zwischen Körperpflegeprodukten auf Talkumbasis und Krebs festgestellt haben.

Mais im Babypuder: Johnson & Johnson setzt nicht mehr auf Talkum.
Mais im Babypuder: Johnson & Johnson setzt nicht mehr auf Talkum.
Quelle: Shutterstock / Shiva Photo

Studien zufolge war Talkum in der ursprünglichen Form tatsächlich mit Asbest kontaminiert. Das heutzutage eingesetzte Talkum ist Fachleuten zufolge in seiner gereinigten Form asbestfrei und darum auch nicht krebserregend. Das muss so sein, schliesslich wird es auch als Lebensmittelzusatzstoff (E 553b) verwendet. Trotzdem wurden in Kosmetikprodukten mit Talkum in der Vergangenheit wiederholt Asbestrückstände nachgewiesen.

Die internationale Agentur für Krebsforschung stuft die perineale Anwendung (im Dammbereich) von Talkum in Körperpudern seit 2006 als möglicherweise krebserregend ein. Um gleich selbst darauf hinzuweisen, dass es keine eindeutigen Beweise für ein Krebsrisiko gebe. So gebe es auch Studien, die keinen Zusammenhang zwischen Talkum und Eierstockkrebs gefunden haben. Sicher ist scheinbar nur, dass nichts sicher ist. Oder anders formuliert: «Warum das Risiko eingehen?», wie Diana Zuckerman vom National Center for Health Research in Washington schlussfolgert.

Und die Moral von der Geschichte?

Wir lernen: In ungelenken Kinderhänden und Atemwegen hat Babypuder ganz sicher nichts verloren. Im Genitalbereich von Frauen vielleicht auch nicht. Zumindest nicht regelmässig. Ob du deswegen nun ganz auf Babypuder verzichten solltest oder nicht, entscheidest du selbst. Gegen einen verantwortungsvollen Umgang damit scheint aus meiner Sicht nichts zu sprechen. Ich werde jedenfalls auch diesen Frühsommer auf Babypuder zurückgreifen, wenn es wieder um den Aufbau unseres Aufstellpools geht. Mir bleibt eigentlich nur noch die Frage: Wenn Johnson & Johnson inzwischen auf Maisstärke in seinem Babypuder setzt, ist Maizena das neue Babypuder?

Gefährlich oder unbedenklich, was hältst du von Babypuder? Bei welchen Gelegenheiten verwendest du es? Oder nutzt du Alternativen? Lass es mich in einem Kommentar wissen oder schreibe mir per Mail.

Titelbild: Shutterstock / SewCreamStudio

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Ich bin Vollblut-Papi und -Ehemann, Teilzeit-Nerd und -Hühnerbauer, Katzenbändiger und Tierliebhaber. Ich wüsste gerne alles und weiss doch nichts. Können tue ich noch viel weniger, dafür lerne ich täglich etwas Neues dazu. Was mir liegt, ist der Umgang mit Worten, gesprochen und geschrieben. Und das darf ich hier unter Beweis stellen. 


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