Die Velorahmen aus Titan von Hilite Bikes sind echte Highlights
5-7-2023
Bilder: Patrick Bardelli
Aus einer kleinen Manufaktur in Basel kommen Fahrräder, die komplett an die Wünsche der Kundinnen und Kunden angepasst sind. Als einer der wenigen Hersteller in Europa produziert Hilite Bikes die Rahmen der Velos selbst. In Handarbeit und aus Titan.
Die Augen glänzen, die Hände sind ein klein wenig feucht und Vorfreude macht sich breit. «Kleiner Junge im Candy Store», schiesst es mir durch den Kopf, als ich an diesem Morgen den Laden von Hilite Bikes im Basler Gundeli betrete. Seit 2010 verkauft Firmengründer und CEO Biagio Colletto hier seine Velos.
Handwerk vom Feinsten
Angefangen hatte alles vor 14 Jahren mit Standardrahmen aus Karbon und Aluminium, die in Taiwan für Hilite Bikes hergestellt wurden. 2012 konstruierte die Manufaktur für einen Kunden den ersten Rahmen aus Titan, den sie in einer darauf spezialisierten Werkstatt herstellen liess. Heute produziert Biagio Colletto mit seinem Team in Basel jährlich zwischen 30 und 40 Fahrräder. Bei ungefähr der Hälfte davon handelt es sich um Titanrahmen, die in Massanfertigung hergestellt werden. Neben den Custom Rahmen entwickelt Hilite Bikes auch standardisierte, aber an die Kundenwünsche anpassbare Fahrradrahmen und Kompletträder, die überwiegend in Titan, teilweise aber auch in Aluminium und Karbon angeboten werden.
Die Art des Drahtesels spielt dabei keine Rolle: Rennvelo, Gravelbike, Tandem, Mountainbike oder spezielle Reiseräder. Hier gibt es alles. Im hinteren Teil des Ladens, der als kleine Velowerkstatt dient, montiert der Velomechaniker gerade ein Tourenbike fertig. In einigen Tagen holt es der Kunde aus Finnland persönlich hier ab und fährt damit zurück in den hohen Norden. Das Business mit den Custom Bikes ist ein internationales, funktioniert laut Biagio hauptsächlich über Mund zu Mund Propaganda und generiert bei Hilite Bikes mit einem kleinen Team von wenigen Mitarbeitenden einen Jahresumsatz im mittleren sechsstelligen Bereich.
Warum Titan?
Neben den üblichen Kettenschaltungen von Shimano, Sram & Co bieten die Basler auch Nabenschaltungen von Rohloff und Tretlagergetriebe von Pinion an und kombinieren diese mit dem Riemenantrieb von Gates. Und warum Titan, will ich von Biagio Colletto wissen. «Es ist für mich der ideale Werkstoff beim Fahrradbau», meint der studierte Chemieingenieur dazu. «Einerseits wegen des relativ geringen Gewichts im Vergleich zu anderen Metallarten und das bei ähnlichem Flex. Das heisst, das Titanvelo fährt sich sehr angenehm. Andererseits wegen der Nachhaltigkeit verglichen mit Karbon.» Ein Rahmen aus Titan sei praktisch unzerstörbar, er roste nicht und sehe mit dem dezenten Glanz erst noch schön aus. Das Auge fährt eben mit.
Einzig bei der Gabel nutzt Hilite Bikes speziell bei Rennvelos und Gravelbikes weiterhin mehrheitlich Karbon, da dies weniger flexibel ist als Titan. Das führt gerade bei höheren Tempi zu einem stabileren Fahrverhalten.
Ein Blick hinter die Kulissen der Werkstatt
Die eigentliche Werkstatt von Hilite Bikes befindet sich unweit des Ladens auf dem Dreispitz-Areal. Biagio und ich machen uns auf den Weg, natürlich auf zwei hauseigenen Velos. So wird aus der Alltäglichkeit eines kurzen Standortwechsels von A nach B ein kleiner Genuss.
In der Werkstatt angekommen, erklärt mir Biagio Colletto die einzelnen Arbeitsschritte, mit denen aus den Titanrohlingen ein fertiger Velorahmen entsteht. Dabei wird gebogen, gefräst, gedreht und natürlich geschweisst. Das macht einerseits der Feinmetall-Mechaniker und andererseits ein spezialisierter Schweisser. Das läuft sehr vereinfacht zusammengefasst so ab: Beim sogenannten Wolfram-Inertgas-Schweissen, kurz WIG, wird das Rohr mit Argon-Gas gefüllt. Dieses ist schwerer als Luft und drückt diese aus dem Rohr. Anschliessend werden die einzelnen Teile miteinander verschweisst. Theoretisch ist es möglich, ohne Gas zu schweissen. Allerdings wäre die Qualität der Schweissnähte auf diese Weise nicht ansatzweise so gut wie bei der Methode mit Gas.
Aktuell hat Biagio die Anfrage eines Kunden, der satte 2,04 Meter misst und auf der Suche nach einem passenden Velo mit Nabenschaltung von Rohloff ist. Allenfalls käme für diesen Kunden ein XXL-Standardrahmen von Hilite in Frage. Allerdings hätten Kundinnen und Kunden oft weitere Wünsche wie zum Beispiel zusätzliche Anschraubpunkte für Taschen fürs Bikepacking. Und so entsteht dann ein Rahmen nach Mass.
Dafür schickt Biagio seine Kunden in der Regel für ein professionelles Bikefitting in die Basler Crossklinik. Dort werden mit dem 3D-Motion Capture System von Retül die Körperwinkel gemessen. Auf Grundlage dieser Daten konstruiert Hilite Bikes das für diese Person perfekte Velo und in der Werkstatt wird der Rahmen entsprechend geschweisst.
Quelle: Patrick Bardelli
Die Geometrie des Velos ist das eine, die Optik und das Fahrverhalten das andere. Es geht um die Frage, wozu die Kundschaft das Velo später nutzen wird. Und natürlich spielt das Budget eine wichtige Rolle. Diese Aspekte definieren auch die Wahl der Anbauteile, wie zum Beispiel die Art der Laufräder, oder die Frage, ob das Bike später mit einer Kette oder einem Riemen angetrieben wird.
Die Nachfrage nach Biagios Fahrrädern ist gross. Entsprechend lang ist die Warteliste, die chronologisch abgearbeitet wird. Bei einem Standardrahmen beträgt die Wartezeit einige Wochen, bei einem Massrahmen, je nach Velotyp und Ausführung, zwischen drei und fünf Monaten. Ein Hilite Bike kostet zwischen etwa 8000 und 14 000 Franken. Und Spezialwünsche? Zum Beispiel, wenn die Gabel dieselbe Farbe wie das Auto des Kunden haben soll? Auch das machen Biagio Colletto und sein Team möglich.
Quelle: Patrick Bardelli
Patrick Bardelli
Senior Editor
Patrick.Bardelli@digitecgalaxus.chVom Radiojournalisten zum Produkttester und Geschichtenerzähler. Vom Jogger zum Gravelbike-Novizen und Fitness-Enthusiasten mit Lang- und Kurzhantel. Bin gespannt, wohin die Reise noch führt.