Meinung
Privatisierung des Wissens: Darum sind Google Bard und ChatGPT ein Problem für uns.
von Oliver Herren
KI ist gekommen, um zu bleiben. Das bedeutet viele Risiken, aber auch neue Chancen, die uns alle weiterbringen werden. Ein Plädoyer, die Chancen für unsere Arbeitswelt zu erkennen.
Beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) denkst du jetzt vielleicht an ChatGPT, Google Bard, DALL-E, Midjourney und andere Tools. Allerdings geht KI weit darüber hinaus – schon heute. Und die wenigsten Menschen verstehen, wie sie KI sinnvoll nutzen können – oder aber kennen die Gefahren, die KI mit sich bringt. Und ich rede hier nicht von Terminator-Szenarien.
Sich wiederholende Arbeitsabläufe sowie administrative Aufgaben können durch KI ersetzt werden. Vielleicht braucht es keine Person mehr an einem Schalter, vielleicht übernimmt bald eine KI das Einparken von Autos, wenn Gäste am Luxushotel ankommen. Hier muss sich niemand mehr die Beine in den Bauch stehen oder durch enge Parkhäuser kurven.
KI kann auch ganze komplexe, logische Probleme lösen und in der Produktion viel bewegen. Weiter gedacht kann KI als Support für komplette Prozesse dienen, wenn es richtig integriert wird. Ein solches System könnte einen gesamten Flughafen scannen und berechnen, wie lange du vom Betreten des Flughafens, bis zum Einsteigen in den Flieger brauchst. Es kann dich auf dem Smartphone (oder AR-Brille) auf dem besten Weg exakt zu deinem Ziel leiten. Zum Gate, zum Bistro oder zur Toilette.
Auch kann KI das Be- und Entladen der Fracht übernehmen, sodass deine Koffer nicht mehr demoliert werden. Kurz gesagt: Immer, wenn viele Daten im Spiel sind, wird KI uns helfen.
Wenn KI übernimmt, könnnten weniger Menschen oft stumpfsinnige Routinen abarbeiten müssen. Das wiederum könnte eine neue Blüte für «echte» Arbeit bedeuten. Wer bisher im Büro nahe am Bore-Out war, könnte neue Erfüllung finden. Vielleicht im klassischen Handwerk. Zum Beispiel als Schreinerin oder als Koch. Denn ein kreatives Regal unter der Dachschräge oder ein wohlschmeckendes Menü – das kann eine KI nicht erschaffen. Bisher zumindest nicht. Handwerkliche Arbeit bedeutet einen konkreten Nutzen für die Kundinnen und Kunden. Und sie ist sinnstiftend für diejenigen, die sie ausführen.
Etwas mit eigener Hände Arbeit zu erschaffen – das dürfte für die meisten erfüllender sein, als über Tage oder sogar Wochen an Powerpoint-Folien zu feilen.
Menschen sind faul. Und alles, was eine Tätigkeit erleichtert, wird gerne angenommen. Das hat oft einen Nachteil: Das Denken wird abtrainiert. Nehmen wir als Beispiel ChatGPT.
Einen Text schreiben? Nimm ChatGPT. Doch wenn niemand mehr Texte schreibt, dann ist das ein enormes Problem für die menschliche Kommunikation. Dann ChatGPT hat keinen Rückkanal. Das Tool erfährt nicht, wie ein von ihm verfasster Text ankommt, wie ihn ein Mensch versteht und interpretiert, ob er als nützlich empfunden wird. Ganz abgesehen davon, dass ChatGPT nur auf etwas zurückgreift, was bereits erschaffen wurde – in der Regel bisher von Menschen. Das, was sich ChatGPT zum Teil bereits ausdenkt, ist hingegen fehlerhaft, teilweise sogar schlicht erlogen. In der Forschung nennt man das Phänomen KI-Halluzinationen.
Du kannst ChatGPT als Sparring-Partner, als Ideen-Geber und als Lehrer nutzen. So kannst du Zeit sparen und Impulse gewinnen. Dadurch wirst du immer besser, erlangst mehr Wissen und nutzt KI für dich.
Du siehst: Wie bei einem Hammer, kommt es auf die Nutzung an. Denn ein Hammer kann vieles bewirken – Gutes und Schlechtes.
Leider hat KI im Bereich des Wissens einen signifikanten Nachteil. Informationen werden zwar immer neu verarbeitet, aber nicht neu erschaffen. Dadurch ist das Ergebnis am Ende nur noch ein selbstreferenzielles Rauschen. Nur noch interpolierter, tausendfach recycelter Input, ohne neue Erkenntnisse und ohne Mehrwert. Hier habe ich das Problem genauer beleuchtet:
Es wird immer schwieriger, relevante Informationen zu finden. Es versinkt alles in einem Meer an Belanglosigkeit. Das ist heute schon der Fall. Die Content-Creator-Ökonomie boomt, aber viele, die auf diesem Gebiet arbeiten, recyceln fast nur das Vorhandene.
Zusammengefasst: Durch den cleveren Einsatz von KI, werden einige Menschen ihren bisherigen Job vielleicht verlieren. Welche das genau sein werden, ist unklar, auch wenn es Prognosen gibt wie jene vom World Economic Forum von Anfang 2023. Ein Muster zeigt sich: Je relevanter Daten für den Job sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass KI zum Zug kommt. Das gilt auch für monotone, sich wiederholende und administrative Aufgaben.
Menschlichkeit, Kreativität und Berufe, in denen Hände gefragt sind, wird KI so schnell nicht ersetzen. Schreinerinnen, Köche, Friseure oder Gärtnerinnen – sie alle haben also nichts zu befürchten. Auch Altenpfleger oder Betreuerinnen in Kindergärten werden weiterhin gebraucht. Vielleicht werden diese wichtigen Berufe durch KI endlich wieder attraktiver, gesellschaftlich mehr anerkannt und besser bezahlt.
Sollte das eintreffen, dann macht KI die Welt tatsächlich besser. Und das ist doch wünschenswert, nicht wahr?
Titelfoto: Adobe StockCool: Schnittstellen zwischen der realen Welt und der Welt der reinen Informationen aufbauen. Uncool: Mit dem Auto ins Einkaufszentrum fahren, um einzukaufen. Mein Leben ist «online», und das Informationszeitalter ist meine Heimat.