Diablo Immortal im Test: Ein Mobile-Game zwischen Hit und Hölle
17-6-2022
Gute Nachrichten: Wir haben Telefone! Darum haben wir Diablo Immortal zwei Wochen lang intensiv getestet, am Smartphone und natürlich auf dem PC. In unserem großen Test mit Video klären wir, ob die Kritik am Free2Play-Modell gerechtfertigt ist, was Diablo Immortal trotzdem richtig gut macht – und ob Blizzard den Ruf des Spiels noch retten kann.
Dies ist ein Artikel unseres Content-Partners «PC Games». Hier findest du den Original-Artikel von Redakteur Felix Schütz.
Seit seiner Ankündigung steht Diablo Immortal unter Beschuss. Ein Mobile-Game mit Free2Play-Modell? Darauf hat nun wirklich kein Fan der Kult-Reihe gewartet. Die vielen negativen Schlagzeilen, für die Blizzard in den letzten Jahren gesorgt hat, machten die Stimmung nicht besser: Kurz nach dem Launch wurde Diablo Immortal auf Metacritic in Grund und Boden gewertet, der User-Score zeigt einen historischen Tiefstand. Gleichzeitig scheint das Mobile-Game bei vielen Spielern gut anzukommen, laut Blizzard wurde Diablo Immortal bereits nach wenigen Tagen mehr als 10 Millionen mal installiert. Doch selbst eine solche Zahl kann die Lawine aus Kritik nicht aufwiegen, die seit Wochen über das Spiel hinweggerollt ist: Erfolgreich oder nicht, mit Diablo Immortal hat Blizzard eine ganze Menge Fans enttäuscht.
Im Zentrum der Vorwürfe: das Bezahlmodell: Diablo Immortal sei ein gieriges Pay2Win-Game, schamlos darauf ausgelegt, den Spielern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Doch es gibt auch Gegenmeinungen: Immer wieder melden sich Spieler zu Wort, die keinen Cent ausgeben – und trotzdem Spaß mit dem Ding haben. Manche gehen sogar noch weiter, sie loben das Spiel als eines der schönsten Mobile-Games aller Zeiten. Und wer hat nun recht?
Im Langzeit-Test schauen wir uns an, woran das Spiel krankt, was es dafür auch richtig gut macht – und ob Diablo Immortal eure Zeit überhaupt wert ist. Denn wie auch unser Testvideo zeigt: Euer Geld solltet ihr nicht in das Spiel stecken.
Handyspiel in Konsolenqualität
Diablo Immortal ist zwar auch für den PC erschienen, doch ist (noch) nahezu identisch mit dem Spielerlebnis auf Android und iOS. Aber das hatte Blizzard auch schon vorab deutlich gemacht: Diablo Immortal ist und bleibt ein Mobile-Game, daran ändert auch die Open Beta auf dem PC nicht viel. Und wer nun denkt, Diablo würde auf einem Smartphone eh nicht funktionieren, hat es vermutlich noch nicht gespielt: Nach ein paar Minuten flutscht das Action-RPG nämlich auch am Touchscreen richtig gut, das Interface ist durchdacht, alle wichtigen Features sind an Bord und die Action geht geschmeidig von der Hand. Wer mag, kann in der Mobile-Version übrigens auch einen Controller nutzen – wir finden aber, dass die Touch-Eingabe das bessere Erlebnis liefert, gerade die Menüs lassen sich mit den Fingern flotter bedienen.
Sechs Klassen sind an Bord, die spielen sich allesamt effektgeladen, wuchtig und angenehm vertraut. Eure Barbaren, Zauberer und Dämonenjäger lassen es also ähnlich krachen wie in Diablo 3, mit knallbunten Zaubern und kraftvollen Hieben, die auch auf dem kleinen Telefonbildschirm ihre Wirkung entfalten. Überhaupt steht die Grafik einem Diablo 3 nur in sehr wenig nach. Wenn ihr ein halbwegs flottes iOS- oder Android-Gerät habt, bekommt ihr wunderschön designte Levels, farbenfrohe Effekte, detailverliebte Animationen und abwechslungsreiche Monster geboten, alles in gewohnter Blizzard-Qualität. Zusammen mit der gelungenen Musikbegleitung und motivierten englischen Sprechern kommt da also auch auf dem Smartphone ordentlich Atmosphäre auf.
Gelungenes Zwischenspiel
Die Story ist zwischen Diablo 2 und dem dritten Teil angesiedelt und führt nicht nur neue Charaktere und Schurken ein, sondern bringt auch viele alte Bekannte zurück. Die Lore wird hier und da zwar ganz schön gebogen, unter anderem mit einem neuen Oberschurken, der gefühlt aus dem Nichts erscheint. Unterm Strich ist die Hauptquest aber trotzdem absolut ordentlich und fühlt sich wie ein kleineres Diablo 3 an. Gute zehn Stunden dürft ihr für die Story einplanen, wer nebenher noch anderen Kram erledigt, ist bis zum Finale auch deutlich länger beschäftigt.
Ein Highlight ist die hübsch gestaltete Stadt Westmark, die euch als zentraler Hub dient. Hier findet ihr zig Händler, Handwerker, Questgeber und andere Spieler. Außerdem startet ihr von dort aus in die zahlreichen Endgame-Aktivitäten und verbessert eure Ausrüstung. Ihr bereist verschiedene Länder in Sanktuario, kämpft euch durch Wälder, Gruften, Wüsten, Berge, Sümpfe und so weiter. Das fühlt sich zwar größtenteils wie ein Best-of-Diablo 3 an und lässt eigene Ideen vermissen, doch immerhin ist alles hübsch designt und zeigt die Blizzard-typische Liebe zum Detail.
Wie bei Mobile-Games üblich, sind die meisten Aufgaben sehr kurzgehalten, das gilt besonders für die minutenlangen Nebenquests, die unterwegs für Abwechslung sorgen. Am Wegesrand locken auch immer wieder kleine Zufallsereignisse, die euch von eurem Ziel weglocken wollen. Kann man machen, ist aber kein Muss. In der Hauptstory wird am meisten geboten, da gibt's eine ganze Menge Dialoge und Cutscenes, nett inszenierte Bosskämpfe und ein paar Dungeons mit schick gemachten Skript-Ereignissen. Das ist zwar streng genommen alles nix Besonderes mehr, doch für ein Mobile-Game verschiebt Diablo Immortal die Messlatte hier spürbar nach oben.
Als erstes Diablo überhaupt ist Immortal auch ein ausgewachsenes MMO. Einen Offline-Modus oder eine private Spielwelt gibt es nicht, nur sporadisch landet ihr in Instanzen, die für euch allein reserviert sind. Darum begegnet ihr praktisch überall anderen Spielern, die Monster jagen, Kisten öffnen oder Quests erledigen. Das ist für ein Diablo mehr als ungewöhnlich und auch längst nicht von jedem Fan gewollt. (Zur Erinnerung: Diablo ist seit dem ersten Teil als Koop-Spiel designt, das man aber auch komplett alleine erleben kann).
Diablo goes MMO
Trotzdem kommen auch Einzelgänger auf ihre Kosten. Allerdings führen die omnipräsenten Spieler öfter mal zu merkwürdigen Momenten, etwa wenn jemand ein Story-Ereignis auslöst, das ihr aber noch gar nicht zu Gesicht bekommen sollt. Für euch schaut das dann so aus, als würde der Spieler einfach ins Leere kloppen. Diablo Immortal bricht außerdem mit einer Tradition: Fast alle Levels sind von Hand gefertigt, schließlich teilen sich alle Spieler die gleiche Welt. Bis auf die Dungeons gibt es also keine zufallsgenerierte Umgebungen mehr. Außerdem müsst ihr euch auf plötzliche Respawns gefasst machen, schließlich wollen alle Spieler genügend Beute und Gegner abbekommen. Das ist zwar notwendig, wird aber manchmal auch einfach etwas unelegant, wenn euch zum Beispiel eine Kiste oder ein Elite-Mob direkt vor die Füße spawnt.
Auch bei den Zonen-Ereignissen (ab der zweiten Schwierigkeitsstufe) kann's chaotisch werden. Etwa wenn zwei Dutzend Spieler auf einmal versuchen, einen NPC zu eskortieren, Gegner plattzumachen und Beute einzusacken – solche heftigen Lags haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Oder wenn wir einen öffentlichen Raidboss wie die schick designte Blutrose in Angriff nehmen wollen: Nach 20 Minuten haben wir hier genervt aufgegeben, weil irgendjemand wieder nicht kapiert hat, dass sich das Vieh regelmäßig heilt, wenn man ihm zu nahe kommt. Gerne würden wir uns da besser mit den anderen Leuten absprechen, doch die Chat-Funktion ist weder am PC noch Mobile so richtig gelungen und lässt noch einigen Komfort vermissen. Absprachen mit zufälligen Spielern gab es praktisch nie. Auch die Gruppensuche und Gildenverwaltung schrecken mit ihrer Fülle an Optionen anfangs eher ab. Das Gleiche gilt für die Unmengen an Upgrade-Systemen, die wir später noch kennenlernen. Hier und da wirkt Diablo Immortal schlichtweg überladen.
Talente und Paragon
Ausgerechnet beim Talentesystem geht Diablo Immortal aber einen simplen Weg. Ähnlich wie in Diablo 3 schaltet ihr Skills wieder automatisch durch Levelaufstiege frei, diesmal allerdings ohne die Fertigkeitsrunen, um Talente zu variieren. Diesen Job übernehmen nun die legendären Items. Wenn ihr also zum Beispiel aus einem Pfeilhagel einen Bombenregen machen wollt oder aus einem Energiestrahl einen Eisblitz, müsst ihr erst mal den passenden legendären Gegenstand finden. Die Auswahl ist allerdings deutlich kleiner als in Diablo 3. Außerdem könnt ihr die Skill-Varianten aus euren Items extrahieren und anschließend auf andere Ausrüstung übertragen. Im Grunde hat man dadurch wieder fast wieder das gleiche System wie in Diablo 3 – es ist nur etwas kleiner und umständlicher.
Dafür wurde aber das Paragon-System kräftig erweitert. Ab der Maximalstufe 60 warten nun mehrere kleine Talentbäume auf euch, in denen ihr Punkte verteilt, um passive Boni und Sondereffekte freizuschalten. Das System ist umfangreich und sorgt für lange Beschäftigung, zumal die Upgrades in den Bäumen ziemlich mächtig sind. Allerdings darf immer nur ein Baum aktiv sein und die meisten davon werden erst auf hohen Levelstufen freigeschaltet – was uns also jenseits von Paragon 30 erwartet, müssen wir erst noch herausfinden.
Nach ein paar Stunden bestätigt sich aber leider der Verdacht, den wir schon während der Beta-Phase hatten: Das Free2Play-Modell in Diablo Immortal zählt eindeutig zu der gierigen Sorte. Was aber nicht heißen soll, dass man zum Kauf gezwungen wird, um mit Diablo Immortal Spaß zu haben. Wer einfach nur die Story durchspielen will und gar nicht die Absicht hat, danach noch viel Zeit in das Spiel zu stecken, kann die Ingame-Käufe vollständig ignorieren. Für diese Spieler ist Diablo Immortal also tatsächlich gratis, und das auch in Zukunft – schließlich sollen alle künftigen Updates inklusive neuer Klassen, Features, Gebiete und so weiter kostenlos bleiben.
Aber: Diablo Immortal beschränkt seine Ingame-Käufe eben nicht nur auf Kosmetik (z.B. Kostüme ohne spielerischen Wert) oder simple Komfortfunktionen wie einen Fernzugriff auf den Marktplatz. Wer das Action-RPG so intensiv wie seine Vorgänger spielen und auch im Endgame erfolgreich sein will, muss sich auf einen unglaublich zähen Fortschritt einstellen – oder irgendwann echtes Geld in die Hand nehmen.
Free2Play aus der Hölle
Die Entwickler machen aus ihren Absichten auch kein großes Geheimnis: Wenn ihr beispielsweise zum ersten Mal einen großen Story-Dungeon gepackt habt, erhaltet ihr als «Belohnung» keine schöne Beute, sondern... eine Lootbox! Nicht geschenkt, wohlgemerkt, sondern zum Kaufen. Nach jedem Dungeon wird dem Shop eine weitere Kiste hinzugefügt, eine teurer als die nächste. Und dabei bleibt es natürlich nicht. Denn wie in so vielen Free2Play-Games wimmelt es auch in Diablo Immortal nur so vor unterschiedlichen Währungen und Fortschrittssystemen. Die greifen zum Teil so geschickt ineinander, dass man die Kosten dahinter kaum noch abschätzen kann. Zumal vieles erst nach mehreren Spielstunden freigeschaltet wird, das heißt: Als Einsteiger hat man da keinen Einblick, sondern freut sich anfangs noch über den rasend schnellen Fortschritt.
Doch hat man die ersten 30, 40 Level geschafft, wird es immer deutlicher: Fast alles kann irgendwie, irgendwo verbessert werden. Und fast alles setzt den Einsatz von seltenen Ressourcen voraus, die man sich nur mit enormem Zeitaufwand erspielen kann. Aus jeder Ecke winken wertvolle Fortschritte für euren Charakter und das Spiel wird auch nicht müde, euch mit geschickten Tricks daran zu erinnern. Zum Beispiel könnt ihr eure Ausrüstung nun in Rängen aufwerten. Ab Rang 6 werden dann neue, wertvolle Attribute freigeschaltet, die ihr anschließend mit Umschmiedesteinen neu auswürfeln könnt. Wenn ihr drei Effekte vom gleichen Typ in einen Gegenstand einsetzt, gibt's sogar einen weiteren Bonuseffekt. Also eigentlich ein cooles Feature! Bis ihr aber die nötigen Materialien zusammengekratzt habt, um alle drei Bonusattribute freizuschalten, solltet ihr viel, wirklich viel Zeit einplanen. Wir vermuten, der Großteil der Spieler wird von der ganzen Spielmechanik nie etwas zu Gesicht bekommen – und das kann nicht der Sinn dahinter sein.
Ein anderes Beispiel ist das Vermächtnis der Horadrim. Für dieses Upgrade-System müsst ihr im Grunde nur ein paar Kisten mit Schlüsseln öffnen, aus denen ihr dann spezielle Ressourcen für weitere Upgrades bekommt. Je mehr Kisten ihr öffnet, desto mehr Beute gibt es. Das ist nicht nur stinklangweilig, weil ihr tagein, tagaus den gleichen öden Dungeon erledigen müsst. Die Schlüssel sind auch in Windeseile aufgebraucht. Zwar könnt ihr euch jeden Tag ein paar davon kostenlos verdienen, aber auf längere Sicht wird euer Fortschritt spürbar gebremst. Darum gibt's noch eine zweite Möglichkeit, die Kisten aufzubekommen – nämlich indem ihr statt der Schlüssel einfach Platin ausgebt.
Platin ist eine Sonderwährung, die ihr über den Marktplatz durch Handel verdient. Hier dürft ihr nämlich seltene, ungebundene Items an andere Spieler verkaufen. Bis man aber wirklich große Mengen Platin zusammen hat, muss man schon Unmengen an Items verhökern – und das kann dauern. Darum gibt's natürlich noch eine andere Möglichkeit, um an Platin zu kommen, nämlich durch den Einsatz von Ewigen Kugeln – und diese Orbs sind die einzige Währung im Spiel, die ihr wirklich nur gegen echtes Geld bekommt. Es gibt schlichtweg keine Möglichkeit, die Orbs zufällig zu sammeln oder durch Aufgaben zu verdienen. Und genau das hätten wir von einem guten Free2Play-Modell erwartet! Premium-Währung kaufen ist eine Sache. Sie komplett aus dem Gameplay auszukoppeln, eine ganz andere.
Das Loot-System macht zumindest auf den ersten Blick nix verkehrt: Ihr findet jede Menge blaue, gelbe und hin und wieder auch legendäre Items, so wie man's aus Diablo 3 kennt. Ab der zweiten Schwierigkeitsstufe sind auch grüne Set-Gegenstände dabei, die können dann beispielsweise in bestimmten Dungeons droppen. Auch schön: Freigespielte Ränge für Ausrüstung lässt sich kostenfrei auf neue Beute übertragen, ihr könnt ein Item also bedenkenlos wechseln und das alte Zeug in Rohstoffe zerlegen, das geht sehr komfortabel. Das Inventar ist außerdem ordentlich bemessen und hat null Verwaltungsaufwand, die Action wird dadurch also nie ausgebremst.
Legendäre Steine und Embleme
Doch die Beutejagd hat noch eine Schattenseite: die berüchtigten, legendären Edelsteine, die schon vor dem Release in die Kritik geraten sind. Die Klunker werden in eure Ausrüstung eingesetzt, verpassen euch alle möglichen positiven Effekte und sind - theoretisch – ungeheuer mächtig. Denn sie erhöhen zusätzlich auch noch euren Resonanz-Wert, der all eure Attribute drastisch nach oben schraubt. Außerdem lassen sich alle legendären Edelsteine in zehn Rängen aufwerten und dann noch weiter verbessern, dadurch erhöhen sich auch ihre Resonanz- und Kampfkraft-Boni. Um so ein Ding mehrfach aufzuwerten, müsst ihr aber Unmengen Steine von gleicher Qualität beschaffen - und zwar wirklich so viele, dass man gratis keine Chance hat, mit zahlenden Spielern gleichzuziehen. Wenn es eine Paywall in Diablo Immortal gibt, dann findet ihr sie hier.
Grundsätzlich könnt ihr legendäre Edelsteine zwar auch herstellen, dazu müsst ihr «nur» massenhaft Runenmaterial beschaffen. Doch im Kleingedruckten kommt dann die Ernüchterung: Selbst wenn ihr irgendwann die nötigen Runen zusammengekratzt habt, um ein 5-Sterne-Steinchen herzustellen, liegt die Erfolgsaussicht bei gerade mal 0,045 Prozent. Nullkommanullvierfünf! Was hat sich Blizzard nur dabei gedacht?
Natürlich: Legendäre Steine könntet ihr theoretisch auch mit sehr, sehr viel Platin am Marktplatz kaufen. Doch den Entwicklern wäre es wohl viel lieber, wenn ihr stattdessen versucht, die kostbaren Steine in einem Ältestenportal zu verdienen. Diese sogenannten «Rifts» kennen wir schon aus Diablo 3: Ihr kämpft euch durch einen kurzen Zufallsdungeon, am Ende wartet dann ein Miniboss und etwas Beute. In Diablo Immortal gibt es aber einen wichtigen Unterschied: Bevor ihr so ein Ältestenportal startet, könnt ihr eure Beutechance noch mit zwei Arten von Emblemen steigern. Und die sind der Knackpunkt: Einfache Embleme erhaltet ihr ab und zu gratis, doch selbst damit ist die Chance auf gute Beute sehr gering. Es gibt darum noch stärkere Embleme, die euch einen legendären Stein als Beute garantieren – und die könnt ihr euch nur einmal pro Monat gegen Ingame-Währung kaufen. Blizzard schenkt euch also gerade mal zwölf legendäre Embleme pro Jahr! Wer mehr Embleme und damit bessere Dropchancen will, muss echtes Geld ausgeben. Ein Glücksspiel.
Wie dieser Youtuber zeigt, geht das Problem sogar noch tiefer: Tatsächlich scheint es, als habe Blizzard zwei Sorten von legendären Emblemen eingebaut, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Erst wenn man das Kleingedruckte liest, erfährt man: Manche Embleme lassen nur an den Spieler gebundene Beute droppen, die nicht handelbar ist. Andere dagegen werfen ungebundene Beute ab, die man auf dem Marktplatz gegen Platin verkaufen kann. Und was jetzt folgt, könnt ihr euch sicher denken: Die ersten Embleme erhaltet ihr gratis im Spielverlauf, letztere dagegen nur gegen echtes Geld im Shop. Aus unserer Sicht ein dreister Trick, um die Spieler zusätzlich an der Nase herumzuführen.
Welche Summe man theoretisch braucht, um einen Stein vollständig aufzuwerten, ist übrigens bis heute nicht geklärt. Manche Spieler rechnen mit Beträgen im sechsstelligen Bereich. Sicher ist nur: Selbst wenn ihr bereit seid, ordentlich Kohle reinzubuttern, erhaltet ihr zwar deutlich mehr hochwertige Beute – doch selbst dann ist noch lange nicht gesagt, dass ihr am Ende auch nur einen Stein maximieren könnt, geschweige denn sechs. Was die Frage aufwirft, für wen Blizzard das ganze System überhaupt designt hat. Sicher nicht für die Normalspieler, die haben nämlich herzlich wenig davon.
Free2Play trifft PvP
Der «Duft» von Free2Play weht natürlich auch durch andere Spielebenen. Erfahrungspunkte von besiegten Gegnern spielen etwa eine geringere Rolle als in früher. Stattdessen sollt ihr hauptsächlich Aktivitäten und Quests aus eurem Kodex abarbeiten. Das sorgt für Beschäftigung im Endgame und lockt euch mit täglich wechselnden Aufgaben zurück ins Spiel. Als Belohnung gibt's nämlich Kampfpunkte, mit denen ihr in eurem Battle Pass einen Rang aufsteigt. Für jeden Rang erhaltet ihr dort nicht nur Belohnungen wie Items oder Ressourcen, sondern auch eine Riesenladung Erfahrung – und erst damit steigt ihr dann halbwegs zügig im Level auf. Klingt umständlich, hat aber natürlich einen Grund: Blizzard will, dass ihr möglichst oft in euren Battle Pass reinschaut und die vielen schönen Belohnungen seht, die nur einen Kauf entfernt sind.
Der Battle Pass ist zwar gratis, doch wer hier etwas Kohle in die Hand nimmt und sich einen Premium-Pass gönnt, kann sich noch eine Reihe mit Extra-Belohnungen freischalten. Was uns daran stört: Am Ende einer Season geht dieses Upgrade wieder verloren und ihr müsstet euch den Premium Battle Pass ein weiteres Mal kaufen. Als einmalige Investition hätten wir das völlig in Ordnung gefunden, von irgendwas muss der Entwickler schließlich leben. Aber in der Form? Nein danke.
Das Free2Play-Modell wirft besonders im Endgame Fragen auf, weil Diablo Immortal hier stärker denn je auf PvP-Inhalte setzt. Die kommen sogar mit einer eigenen Nebenstory, inklusive Quests, Gilden, Upgrades und vielem mehr: So lernt ihr schon früh die Immortals kennen, die unsterblichen Helden von Sanktuario. Ihr Gegenstück sind die Schatten, ein Geheimbund mit dem Ziel, die Unsterblichen herauszufordern und zu testen. Ein ewiger Kreislauf, in dem ihr natürlich mitmischen sollt. Dazu müsst ihr euch zunächst den Schatten anschließen und Teil einer Gilde werden. Hier habt ihr dann verschiedene Aufgaben zur Auswahl, darunter einfache Monster-Arenen oder ein paar nett gemachte Nebenquests, die sich auch für Solo-Spieler eignen.
Ein paar dieser Inhalte sind aber auch mehr als seltsam, etwa die tägliche Versammlung. Da müssen sich die Spieler zu einer bestimmten Uhrzeit an einem Ort treffen, minutenlang rumstehen und sich gegenseitig Buffs verpassen. Da fragt man sich schon, was das eigentlich noch mit Diablo zu tun haben soll. Die Spieler-gegen-Spieler-Kämpfe stehen aber zum Glück im Mittelpunkt. Zum ersten Mal in einem Diablo gibt es nun richtige Raubzüge und groß angelegte Teamgefechte. Wer seine Mannschaft zum Sieg führt, stärkt damit sein Haus und qualifiziert sich für Turniere, bis man schließlich die Immortals zu einem letzten Gefecht herausfordern kann. Damit habt ihr dann die Chance, euch die Siegerkrone unter den Nagel zu reißen und selbst zum nächsten Unsterblichen aufzusteigen.
Das ganze System sorgt zwar für frischen Wind und macht Spaß, wirkt aber hier und da auch unnötig kompliziert. Trotz vieler Hilfen dauert es eine Weile, bis man sich in alles reingefuchst hat. Außerdem finden manche PvP-Modi nur zu festen Zeiten statt, auch das wirkt wie eine unnötige Einschränkung. Doch immerhin: Durch den Zeitplan finden sich sehr flott Mitspieler für ein Match.
Mit angezogener Handbremse
Der Reliquiar der Hölle, ein weiteres Endgame-Feature, konnten wir wegen eines Bugs anfangs nicht nutzen. Erst als Blizzard nach einer Woche reagierte, durften wir nachziehen. Der Reliquiar ist eine weitere Upgrade-Mechanik, für die man extra starke Raid-Bosse bezwingen muss, dazu braucht es grundsätzlich eine erfahrene Gruppe von acht Spielern. Das System ist nicht übel, kommt aber natürlich mit seiner eigenen Spezialwährung daher, dem sogenannten Scoria. Dieses Zeug verdient man nur einmal pro Woche durch erfolgreiche Raids, dadurch gerät der Fortschritt zu Beginn sehr schleppend. In der Beta war es noch möglich, Scoria auch durch tägliche Kopfgeldaufgaben zu verdienen, was zwar langsam, aber fair war. Doch diese Möglichkeit hat Blizzard mittlerweile ersatzlos gestrichen – eine zusätzliche Bremse für die Spieler, die sie zu weiteren Käufen verleiten soll.
Stabile Server und Crossplay
Die Server haben allerdings ein dickes Lob verdient, die liefen in unseren ersten zwei Spielwochen praktisch rund um die Uhr stabil. Und wenn es doch mal zu einem seltenen Verbindungsabbruch kam, konnte wir uns gleich wieder an Ort und Stelle einloggen, ohne Verlust. Einwandfrei! Und das bringt uns natürlich zum Crossplay-Support: Ihr dürft Diablo Immortal auf Android, iOS und PC nach Lust und Laune spielen und zwischen den Geräten wechseln. Solange ihr euren Account mit dem Battle.net verknüpft, könnt ihr in Sekundenschnelle von einem Gerät zum nächsten springen und nahtlos weiterspielen. Auch das klappte im Test richtig gut.
PC als Open Beta
Wie eingangs erwähnt, ist Diablo Immortal am PC derzeit fast noch eine 1:1-Umsetzung der Mobile-Version. Wie Blizzard uns im Gespräch verraten hat, will man erst mal das Feedback aus der Open Beta sammeln und den PC-Client dann Stück für Stück verbessern. Das gilt besonders für die Steuerung, aber auch für die Technik und natürlich die Bugs – davon sind uns nämlich durchaus ein paar begegnet. Hier und da wurden unsere Eingaben falsch interpretiert, manchmal schienen Levelobjekte zu schweben oder NPCs spawnten nicht immer dort, wo sie sollten. Letztlich waren die allermeisten Bugs aber noch harmlos.
Auch wenn die Steuerung noch viele Wünsche offen lässt, könnt ihr Diablo Immortal schon jetzt ganz ordentlich am PC spielen. Ihr habt die Wahl aus Gamepad, WASD-Tasten oder ganz klassisch mit der Maus. Weil das Spiel aber primär für Touchscreens designt wurde, muss man sich etwas umgewöhnen. Wenn man zum Beispiel mit dem Cursor über ein Objekt fährt, wird kein Tooltip eingeblendet, man muss alles von Hand anklicken. Auch die ausladenden Menüs, die sperrige Chat-Funktion und die riesigen Schriftarten zeigen deutlich, dass in der PC-Umsetzung noch eine ganze Menge zu tun ist. Spielbar ist es aber schon jetzt und einen Wipe braucht auch niemand mehr befürchten – wer also auf dem PC starten will, kann das ohne Weiteres tun.
Nun stellt sich aber die Frage, ob Diablo Immortal überhaupt eure Zeit wert ist. Das Entwicklergespann von Blizzard und Netease macht keinen Hehl daraus, dass das Spiel bitteschön Geld abwerfen soll, und am besten viel davon. Das Ergebnis ist ein allgegenwärtiger Shop, ein beabsichtigtes Wirrwarr aus knappen Ressourcen, aufgesetzten Fortschrittsmechaniken und willkürlichen Bremsen – alles mit dem klaren Hintergedanken designt, euch über eure Kosten im Unklaren zu lassen, damit ihr ab und zu doch mal etwas kauft. Da ist Disziplin gefragt: Wenn man sich im Griff hat, kein Geld ausgibt und stattdessen einfach etwas Zeit investiert, wird man als Gratis-Spieler wohl nie das Maximum erreichen – doch das heißt nicht, dass man deswegen keinen Spaß haben darf. Gerade für Gelegenheitsspieler, die in erster Linie die Story erleben wollen und keinen Wert auf PvP oder die allerhöchsten Schwierigkeitsgrade legen, hat Diablo Immortal eine ganze Menge zu bieten.
Trotzdem muss Blizzard sich den Vorwurf gefallen lassen: Hier wird aktiv versucht, euch das Geld aus den Taschen zu ziehen. Gerade im Vergleich zu Spielen wie Path of Exile, die ein faires Free2Play-Modell nutzen, ist das schon richtig bitter. Darum gibt es von uns die klare Warnung: Wenn ihr anfällig für Gatcha-Mechaniken oder Echtgeld-Käufe seid, macht ihr besser einen Riesenbogen um das Spiel. Für Gelegenheitszocker, die mit dem Shop und seinen ganzen Tricks umgehen können, ist Diablo Immortal aber zweifellos einen Blick wert.
Fazit: Ist der Ruf noch zu retten?
Diablo Immortal mag im Moment noch ein großer Erfolg für Blizzard sein, doch das muss nicht so bleiben. Je mehr sich herumspricht, wie das Bezahlmodell gestrickt ist, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass auch zahlungswillige Spieler ihr Interesse verlieren. Aus unserer Sicht sollte Blizzard darum ein gründliches Redesign ankündigen, das nicht nur beim Shop, sondern vor allem bei der Beute ansetzt. Wenn zum Beispiel alle Items auch zwischendurch häufiger droppen würden, also sämtliche Ressourcen, Edelsteine, Schlüssel, Platin und so weiter, dann wäre der Pay2Win-Faktor längst nicht mehr so groß – und die Beutejagd wäre auf einen Schlag spannender. Wir erinnern uns: Auch Diablo 3 brauchte «nur» ein kräftiges Update für das Loot-System, um aus dem Sorgenkind eine richtig spaßige Beutehatz zu machen. (Die Abschaltung des Auktionshauses war vergleichsweise nebensächlich!) Aus diesem Grund wollen wir Diablo Immortal auch noch nicht abschreiben und werden das Spiel zu einem späteren Zeitpunkt ein weiteres Mal unter die Lupe nehmen. Bis dahin gilt unsere Wertung, die sich auf die Mobile-Fassungen bezieht. Die PC-Fassung landet zwar auf dem gleichen Niveau, hat als Open Beta aber noch keine Wertung verdient.
Diablo Immortal wird von vielen Fans in der Luft zerrissen, sogar Blizzard selbst ist bemüht, Diablo 4 von dem Mobile-Ableger abzuheben. Darum sind wir natürlich gespannt auf eure Meinung: Stimmt ihr der Wertung zu oder hättet ihr mehr oder weniger vergeben? Falls ihr Diablo Immortal schon gespielt habt, wart ihr irgendwo versucht, Geld auszugeben? Und wie schätzt ihr die Zukunft des Spiels ein? Schreibt uns eure Gedanken und verratet uns, was ihr über das Spiel denkt!
Mögt es oder hasst es – aber steckt bitte kein Geld in Diablo Immortal
Diablo Immortal bestätigt im Test alle meine Erwartungen – und viele meiner Befürchtungen. Als Mobile-Game ist das Spiel ein kleines Brett: Netease und Blizzard kitzeln selbst aus Mittelklasse-Telefonen eine tolle Grafik und ein flüssiges Spielgefühl raus, die Atmosphäre ist fast so dicht wie in Diablo 3 und die Beutejagd – obwohl spürbar vereinfacht – macht auch auf dem kleinen Touchscreen Spaß. Ist es ein vollwertiger Ersatz für Diablo 4? Natürlich nicht! Aber so war es auch nie geplant und so spiele ich es auch nicht.
Über das MMO-Konzept kann man geteilter Meinung sein, für mich sind die anderen Spieler aber kein Hindernis. Ich zocke die Release-Version jedenfalls wieder ziemlich intensiv. Und auch wenn es natürlich irgendwann eintönig wird, kann ich nicht leugnen: Als Zeitvertreib für zwischendurch macht mir Diablo Immortal tatsächlich Laune. Aber: Ich habe keinen Cent in das Spiel investiert und werde es auch nicht tun. Ich kenne viele Free2Play-Games und kann normalerweise ganz gut einschätzen, wo die Kosten lauern. Diablo Immortal ist aber auf eine Art gestaltet, die euch möglichst im Unklaren lassen will, viele Features und Währungen scheinen nur zu existieren, um die Spieler in den Shop zu locken – damit ihr irgendwann doch mal Geld für etwas ausgebt, was ihr eigentlich nicht braucht. Denn auch das muss klar sein: Ihr könnt ohne Geldeinsatz eine ganze Menge Spielzeit aus Diablo Immortal rausholen. Ihr bekommt die komplette Kampagne, alle Klassen, alle Skills kostenlos. Erst bei den Upgrade-Systemen droht irgendwann der Punkt, an dem der Fortschritt grässlich zäh wird.
Das betrifft übrigens auch zahlende Spieler, was die Sache nur noch tragischer macht. Darum mein Rat an euch: Wenn ihr nicht für Glücksspiel und Ingame-Käufe anfällig seid, installiert euch Diablo Immortal ruhig. Spielt die Story durch, erledigt ein paar Endgame-Aktivitäten, lasst es ruhig angehen – und schmeißt es irgendwann einfach wieder von der Platte, wenn ihr genug habt. Was ihr aber nicht tun solltet: Geld in ein Spiel stecken, das es euch einfach nicht dankt. Für einen dauerhaften Season Pass, neue Klassen, zusätzliche Truhenplätze oder Kosmetik ein paar Euro verlangen, das wäre für mich völlig in Ordnung. Wenn ich einem Spiel aber an jeder Ecke anmerke, wie es mich zum Kauf motivieren will, läuft etwas schief. Diablo Immortal braucht aus meiner Sicht ein Redesign. Ich hoffe sehr, dass die Verantwortlichen bei Blizzard (oder Microsoft?) hier irgendwann die richtigen Entscheidungen treffen.
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