Design dekodiert: Nach diesem Leitmotiv gestaltet Fabio Hendry Lampen aus 3D-Druck-Abfällen
Hintergrund

Design dekodiert: Nach diesem Leitmotiv gestaltet Fabio Hendry Lampen aus 3D-Druck-Abfällen

Pia Seidel
13-5-2024

Hot Wire Extensions stellt skulpturale Objekte mit einem eigens entwickelten Verfahren aus 3D-Druck-Abfällen und Sand her. Dabei folgt das Schweizer Designstudio dem Motto: «Form Follows Process».

Fabio Hendry hat einen dicken Draht zum Tüfteln. Seine Marke «Hot Wire Extensions» gleicht einem Labor, in dem der Prozess wichtiger ist als das Ergebnis. Denn der Schweizer möchte oft vernachlässigten Materialien wie 3D-Druck-Abfällen auf den Grund gehen und ihr Potenzial für alternative Produktionsprozesse aufzeigen. Das Problem dabei: Einige Materialrecherchen können ins Nichts führen. Da heisst es, einen kühlen Kopf bewahren und warten, bis irgendwann eine Idee – oder wie in Fabios Fall – ein Draht zündet.

Fabio, was macht «Hot Wire Extensions» genau?
Fabio Hendry: Wir entwickeln neue Herstellungsverfahren und entwerfen damit eine vielfältige Palette an Produkten. Von Möbeln über Installationen bis hin zu massgeschneiderte Lösungen.

Beim Gestalten interessiert sich Fabio Hendry mehr für die Herstellung als die Form.
Beim Gestalten interessiert sich Fabio Hendry mehr für die Herstellung als die Form.
Quelle: Pia Seidel
Die Hotwire-Kollektion setzt sich aus Möbeln, Accessoires und Lampen zusammen.
Die Hotwire-Kollektion setzt sich aus Möbeln, Accessoires und Lampen zusammen.
Sie entsteht unter anderem aus überschüssigem Nylonpulver vom SLS 3D-Druck und Sand.
Sie entsteht unter anderem aus überschüssigem Nylonpulver vom SLS 3D-Druck und Sand.

Wie sieht so ein Herstellungsverfahren aus?
Wir fertigen Objekte aus SLS 3D-Nylonpulver, das derzeit nicht recycelt wird. Der Prozess beginnt mit einem linearen, dünnen Draht, der in alten Glühbirnen verwendet wurde und bis heute in Toastern verbaut wird. Wir befestigen und formen diesen Draht in einer Box, die wir mit einer Mischung aus verschiedene Sandsorten und Abfall-Nylonpulver auffüllen. Dann leiten wir mittels Batterie elektrischen Strom durch die gebogenen Drähte, die sich erhitzen und aufleuchten. Im Verlauf verfestigt sich die Materialmischung um den Draht herum. Je länger der Vorgang dauert, desto dicker werden die organischen, knochenähnlichen Strukturen.

Was hast du zuletzt entworfen?
Unsere «Signature»-Kollektion, die aus zehn Objekten besteht. Darunter sind Produkte, die von bestehenden Unikaten inspiriert sind. Etwas angepasst, können wir sie seriell herstellen. Das macht sie erschwinglicher – ohne dass sie dabei den Handmade-Charakter verlieren. In den letzten Jahren erhielten wir viel Aufmerksamkeit von den Medien. Das war zwar befriedigend, zahlte uns aber noch keinen Lohn. Deshalb musste ich herausfinden, wie wir Zukunft bestehen können und ausserhalb von Instagram und Co. funktionieren. Die «Signature»-Kollektion ist wettbewerbsfähiger. Ausserdem nehmen wir mittlerweile Projekte im öffentlichen Raum wie einer barocken Kirche an, für die wir sechs grosse Kronleuchter herstellen. Oder einer Schule, für die wir die Signaletik im Innenbereich sowie die Fassadenbeschriftung mit unserem Prozess machen. Wir setzen auch regelmässig Kommissionsarbeiten für Galerien um und ich co-kuratiere jährlich das Ausstellungsformat «Raw Senses» der Zurich Design Weeks.

Hast du ein Beispiel für so eine Kommissionsarbeit?
Gerade arbeite ich an Hybridobjekten für eine Ausstellung der Londoner Galerie Max Radford Gallery, bei der ich kaputte und verrostete Metallmöbel von Zürcher Strassen wieder upcyclen möchte. Die Idee ist inspiriert vom Ready-made aus der Kunst.

Was inspiriert dich noch ausser der Kunst?
Mein ehemaliger Dozent Simon Hassan vom Royal College of Art in London sowie Faye Toogood prägen mich bis heute. Ich habe mal für die britische Designerin als Interior Designer gearbeitet. Ich finde spannend, wie sie vorgeht und es schafft, aus konischen Objekten skulpturale Formen zu bilden. Geometrische Formen sind mit dem «Hot Wire Extensions»-Prozess eher schwierig umzusetzen.

Die Strukturen erinnern an die Art und Weise, wie eine Weinrebe um einen Baum wächst.
Die Strukturen erinnern an die Art und Weise, wie eine Weinrebe um einen Baum wächst.
Quelle: Pia Seidel
Ein Drahtgerüst bildet die Basis für die Form.
Ein Drahtgerüst bildet die Basis für die Form.
Es handelt sich um denselben Draht, der in alten Glühbirnen verwendet wurde.
Es handelt sich um denselben Draht, der in alten Glühbirnen verwendet wurde.

Was ist dein persönliches Leitmotiv beim Entwerfen?
Ich versuche das Gestaltungsprinzip «Form Follows Process» zu leben.

Beende den Satz: «Design braucht mehr …»
Mehr Begründung und Rechtfertigung bei all den Produkten, die es auf dem Markt gibt. Gestalterinnen und Gestalter sollten sich genau überlegen, wo sie sich positionieren wollen. Denn Design ist fast schon so übersättigt wie Fashion.

Gibt es noch etwas, das Nicht-Designerinnen und -Designer über die Branche wissen sollten?
Wir sollten uns mehr bemühen, zu verstehen, wie Objekte entstehen. Vielleicht stellen wir so einen engeren Bezug zu ihnen her und bringen wieder mehr Wertschätzung für sie auf.

Dank Fabios Interesse am Material entsteht aus losem Abfall-Pulver ein fester Körper.
Dank Fabios Interesse am Material entsteht aus losem Abfall-Pulver ein fester Körper.
Quelle: Pia Seidel
Von Lampen über Möbel bis hin zu Heizkörpern …
Von Lampen über Möbel bis hin zu Heizkörpern …
... der «Hot Wire Extensions»-Prozess bietet zahlreiche Möglichkeiten.
... der «Hot Wire Extensions»-Prozess bietet zahlreiche Möglichkeiten.
Quelle: Pia Seidel
Auch wenn er nicht mehr glüht, befindet sich im Innern jedes Objekts ein Draht.
Auch wenn er nicht mehr glüht, befindet sich im Innern jedes Objekts ein Draht.
Quelle: Pia Seidel

Welche Verbindung haben kreative Köpfe aus dem Designbereich zu Objekten? Was ist ihr Leitmotiv und was inspiriert sie? In dieser Beitragsreihe suche ich Antworten auf diese Fragen. Alles im Rahmen eines Interviewformats. Folge mir, um die nächste Folge auf dem Radar zu haben.

Titelbild: Pia Seidel

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Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit. 


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