Dein innerer Schweinehund: So wird er vom Widersacher zum Partner
Er steht zwischen dir und der Person, die du sein möchtest: der innere Schweinehund. Willst du gut mit ihm auskommen, solltest du ein paar Dinge über ihn wissen. Zum Beispiel, warum «Wenn-Dann-Sätze» so wichtig sind.
Er sabotiert gute Vorsätze, verweigert Leistungsdenken, ist purer Hedonist – und steht oft zwischen dir und dem nächsten Karrieresprung. Oder den fünf Kilo, die du abnehmen wolltest. Oder dem Besuch des Fitnessstudios. Ich spreche vom inneren Schweinehund. Weil er keinen guten Ruf hat, versuchst du ihn täglich in Ketten zu legen, kämpfst gegen ihn an und willst ihn bei jeder Gelegenheit überwinden.
So einfach ist das aber nicht mit dem inneren Schweinehund. Das zeigen nicht zuletzt Statistiken, laut denen die meisten Menschen ihre Neujahrsvorsätze schon nach wenigen Wochen oder gar Tagen aufgeben. Beispiel USA: Dort feiert man augenzwinkernd jedes Jahr schon am 17. Januar den «Ditch-New-Years-Resolution-Day», also den Tag, an dem man seine Neujahrsvorsätze spätestens über Bord geworfen hat.
Doch was braucht es dann, um den inneren Schweinehund zu überwinden und endlich in die Gänge zu kommen? Und wer oder was ist überhaupt dieser Schweinehund? Das habe ich Dr. Daniela Bernhardt gefragt, Diplom-Psychologin und Autorin von «Die Psychologie des Schweinehunds: In sechs Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit».
Stellen Sie sich den inneren Schweinehund als Mensch vor: Welches Familienmitglied wäre er?
Dr. Daniela Bernhardt: Eine witzige Frage. Ich glaube, für mich ist er weniger ein Familienmitglied, sondern eher ein guter Freund, zu dem man ein zwiespältiges Verhältnis hat. Einerseits kann man unglaublich viel Spaß mit ihm haben. Aber gleichzeitig verleitet er einen dazu, das Vergnügen der Arbeit vorzuziehen.
Wann haben Sie denn das letzte Mal mit Ihrem inneren Schweinehund zu kämpfen gehabt?
Ich kenne meinen inneren Schweinehund mittlerweile ganz gut und kann meist schon erahnen, in welchen Situationen er anspringt. Gestern Abend zum Beispiel habe ich mir nach der Arbeit noch ein paar Erledigungen vorgenommen. Auf meinem Heimweg radle ich immer an Cafés vorbei und sehe die Menschen davor in der Abendsonne sitzen. Das sieht immer sehr nett aus und dann höre ich direkt meinen inneren Schweinehund, der sagt: «Gönn‘ dir was. Steig vom Fahrrad, setz dich in das Café und mach Feierabend.» Das war wieder eine Situation, in der ich diesen Impuls ganz stark gespürt hab.
Sie sprechen von einem Impuls: Was ist eigentlich der innere Schweinehund?
«Innerer Schweinehund» ist ein umgangssprachlicher Begriff. Eine Metapher für einen inneren Widerstand, der uns davon abhält, etwas zu tun, das eigentlich sinnvoll wäre. Er beschreibt ein Verhalten: Ich tue etwas nicht, das ich mir vorgenommen habe. Die Absicht ist da, aber an der Umsetzung hapert’s. Der innere Schweinehund will uns sagen: «Lebe im Hier und Jetzt und sorge dich um deine aktuellen Bedürfnisse.» Er ist ein Hedonist, lebt im Moment. Dadurch fehlt es ihm am Weitblick, zu erkennen was dieses Aufschieben von guten Absichten in zehn Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bedeutet.
Jeder von uns kennt das: Wir haben beste Absichten, fassen neue Vorsätze – und scheitern an deren Umsetzung. Warum fällt es so schwer, sich langfristig für neue Ziele zu motivieren?
Man denkt oft, es reicht schon aus, ein gutes Ziel zu formulieren. Psychologisch gesehen ist es ein Unterschied, ob ich mir etwas vornehme oder ob ich es umsetze. Da sind andere Gehirnareale an der Verarbeitung beteiligt. Besonders stark ist der Unterschied zwischen Absicht und Handeln in Bereichen, in denen ich bereits starke Gewohnheiten und Routinen habe. Die Ernährung ist ein klassisches Beispiel für so einen Bereich: Seit unserer Kindheit bestimmen hier gewisse Gewohnheiten unser Handeln. Da stoßen wir an eine Veränderungsresistenz, gegen die man mit guten Vorsätzen alleine nicht ankommt.
Der zweite Grund ist: Vieles, das wir uns neu vornehmen, ist erst einmal unangenehm. Morgens joggen zu gehen, anstatt im warmen Bett zu bleiben, zum Beispiel. Wir haben die Verhaltenstendenz, in angenehmen Situationen zu bleiben und negative Gefühle zu vermeiden. Somit haben Vorsätze, bei denen der Nutzen erst in der Zukunft liegt, immer gegen Aktivitäten zu kämpfen, die unmittelbare Glücksgefühle bescheren.
Und was ist mit unserer Motivation? Hat die in solchen Momenten gar keine Auswirkung auf unser Tun?
Motivation ist die grundsätzliche Bereitschaft, etwas zu tun. Sie muss da sein, um anzufangen und dranzubleiben. Man kommt allerdings nicht weit, wenn man alleine auf Motivation und Belohnungssysteme setzt. Die Motivation ist zwar wichtig, um einen Vorsatz zu formulieren. Doch in der konkreten Umsetzung reicht die Bereitschaft alleine nicht aus. Stattdessen muss ich mein Handeln so steuern, dass ich das Ziel auch wirklich erreichen kann. Das bedeutet: Ich muss mich auch auf Hindernisse in der Umsetzung vorbereiten. Darauf, dass ich akut keine Lust oder Zeit mehr haben könnte. Und wenn es dazu kommt, muss ich wissen, dass ich diese Hindernisse bewältigen kann und dass mich auch kleine Schritte dem Ziel näher bringen.
In Ihrem Buch schreiben Sie: Um erfolgreich mit neuen Vorsätzen zu sein, soll man den inneren Schweinehund nicht als Gegner sehen, sondern als Partner. Wie soll das funktionieren?
Erfolg kann nur dann nachhaltig sein, wenn er nicht auf Kosten der Gesundheit geht. Überlegen Sie sich, wie viele Aufgaben Sie am Tag abseits und parallel zu Ihrer To-Do-Liste erledigen. Wenn man all die Dinge tun würde, die man tun sollte oder wollte, käme man in Teufels Küche. Es ist schon ganz gut, dass es etwas in uns gibt, das auch mal bremst und uns Feierabend machen lässt. Der innere Schweinehund schlägt Alarm, wenn die Belastung zu groß wird. Dazu kommt, dass viele Vorsätze Vernunftvorsätze sind: Wir haben sie von anderen übernommen, uns selbst fehlt aber der Antrieb dazu. Hier stellt uns der innere Schweinehund die Frage: Will ich das eigentlich wirklich machen?
Wenn mein innerer Schweinehund mir also vermittelt, puh, viel zu anstrengend, soll ich ihm nachgeben?
Man muss jede Situation neu bewerten: Brauche ich gerade wirklich eine Pause oder ist es eine Ausrede? Es ist wichtig mit sich selbst in den Dialog zu treten und zu schauen, warum man gerade diesen Widerstand spürt. Und dann ist es wichtig, die Grundhaltung zum inneren Schweinehund zu überdenken und gegebenenfalls zu ändern. Er gilt als etwas Schamhaftes, als schwach und faul. Aber eigentlich ist das, was wir «inneren Schweinehund» nennen, etwas ganz Natürliches. Ich finde den Begriff schön, «den inneren Schweinehund an die Leine zu nehmen». Es hat etwas Partnerschaftliches, trotzdem liegt die Kontrolle bei mir. Ich kann die Leine auch mal lockerlassen, aber sie liegt in meiner Hand. Der innere Schweinehund zieht mich nicht hinter sich her.
Woran erkenne ich, ob ich gerade auf meinen inneren Schweinehund hören oder besser ins Tun kommen soll?
Man erkennt Schweinehund-Situationen relativ schnell, weil man den inneren Widerstand spürt. Oft hilft es, kurz zu reflektieren, warum dieser Widerstand da ist: Wenn es in dem Moment wichtig für meine mentale oder körperliche Gesundheit ist, dem Gefühl nachzugeben, sollte man das bei Gelegenheit schon tun. Oft ist es auch besser, mit dem Widerstand und nicht gegen ihn zu gehen. Spürt man zum Beispiel einen starken Widerstand, morgens joggen zu gehen, kann man sich fragen: Was ist jetzt der lächerlich kleinste Schritt? Joggen gehen schaffe ich nicht, aber vielleicht schaffe ich es stattdessen, einmal die Treppe hoch und runter zu laufen. Das hilft dabei, ins Tun zu kommen und schließlich sind auch fünf Prozent bei neuen Vorsätzen besser als null Prozent.
Und wann sollte ich partout nicht auf ihn hören?
Bei unverhandelbaren Zielen. Die muss jeder für sich selbst definieren, aber letztlich sind das Ziele, bei denen ich über das Hier und Jetzt hinausdenken muss. Meine sozialen Beziehungen, gesund zu leben, Zufriedenheit im Job und so weiter. Dann muss ich vielleicht auch mal Dinge tun, die nicht unmittelbar belohnend sind, die mich aber stärker mit meinem zukünftigen Ich verbinden. Klar ist es lästig, morgens joggen zu gehen. Aber wie cool wird es sein, als 80-Jährige noch körperlich fit zu sein?
Ich will meinen inneren Schweinehund an die Leine nehmen: Was ist der erste Schritt?
Zuerst geht es um eine gesunde Haltung zu ihm und zu sich selbst. Das Gefühl des inneren Schweinehunds ist ganz natürlich, also bitte verurteilen Sie sich selbst nicht, wenn Sie ihm nachgeben. Sondern begegnen Sie sich mit Mitgefühl. Und dann ist es wichtig, für sich klar zu formulieren: Was für ein Mensch möchte ich sein? Und inwiefern bringt mich ein Vorsatz diesem Menschen näher? Wenn ich das für mich geklärt habe, fällt es leichter, mich selbst zum nächsten Schritt anzuspornen.
Und der wäre?
So schnell wie möglich so konkret wie möglich werden. Einen konkreten Handlungsplan aufstellen: Was will ich tun und wie sieht die erste Maßnahme aus? Die muss ich dann so konkret runterbrechen, dass mein Gehirn eine klare Ansage bekommt. Ein häufiger Vorsatz lautet: «Ich will weniger Stress haben.» Aber was bedeutet das überhaupt? Stattdessen kann ich mir überlegen: Wie sieht eine gute Atemübung für stressige Situationen aus? Neben der konkreten Maßnahme brauche ich aber noch eine zweite Sache – eine gute Gelegenheit für mein Vorhaben: Welche konkrete Situation ist denn besonders günstig, um den Vorsatz umzusetzen? Wann fällt es mir am leichtesten?
Gibt es vielleicht einen Trick, um dann zum Beispiel wirklich die Laufschuhe morgens zu schnüren oder endlich die Steuerunterlagen fertigzustellen?
Um günstige Gelegenheiten und Maßnahmen wirksam miteinander zu verbinden, gibt es eine simple Selbstregulationstechnik: «Wenn-Dann-Pläne». Beispiel: Wenn ich gestresst bin, dann atme ich drei Mal tief durch. Wenn ich gefrühstückt habe, dann gehe ich eine kleine Runde laufen. Das ist sehr konkret und es entstehen schnell Gewohnheiten und Routinen.
Apropos: Wann wird denn ein neuer Vorsatz zur Gewohnheit?
Dazu gibt es eine Studie: Probandinnen und Probanden haben neue Gewohnheiten aufgebaut und es wurde gemessen, ab welchem Zeitpunkt sich diese automatisch anfühlten. Der Durchschnitt war 66 Tage, bei täglich ausgeführten Gewohnheiten. Das ist aber nur der Mittelwert – je nach Komplexität der Gewohnheit kann es deutlich kürzer oder länger dauern. Als Orientierung finde ich die 66 Tage aber gut, damit die Leute nicht so schnell ihren Anfangsenthusiasmus verlieren.
Der innere Schweinehund hat also zu Unrecht einen schlechten Ruf. Welchen Namen würden Sie ihm geben, wenn Sie den Begriff neu definieren könnten?
Für mich muss kein neuer Name her. Ich mag Hunde und ich mag das Bild, den Schweinehund an die Leine zu nehmen. Ich würde den Begriff allerdings rehabilitieren. Dass man sich mit ihm versöhnt und ihn als Gefährten und nicht als Widersacher sieht.
Titelfoto: shutterstockIch liebe blumige Formulierungen und sinnbildliche Sprache. Kluge Metaphern sind mein Kryptonit, auch wenn es manchmal besser ist, einfach auf den Punkt zu kommen. Alle meine Texte werden von meinen Katzen redigiert: Das ist keine Metapher, sondern ich glaube «Vermenschlichung des Haustiers». Abseits des Schreibtisches gehe ich gerne wandern, musiziere am Lagerfeuer oder schleppe meinen müden Körper zum Sport oder manchmal auch auf eine Party.