Das Solar-Rennauto fährt – allerdings noch ohne Sonnenstrom
Eine Crew von Studierenden der ETH baut ein Auto für das grösste Solar-Autorennen der Welt in Australien. Nach monatelanger Vorarbeit hat es kürzlich seine ersten Meter zurückgelegt.
Drei Räder, Akku, Elektromotor, Bremsen, Lenkrad, ein Haufen Elektronik. Auch, wenn das, was da über das Vorfeld des Flugplatzes in Dübendorf rollt, noch nicht nach einem Rennauto aussieht – es ist eines. Monatelang haben Studentinnen und Studenten der ETH Zürich auf diesen Moment hingearbeitet. Sie haben für ihr grosses Projekt Sponsoren angeworben, Skizzen gemacht, Bauteile fräsen lassen, CAD-Modelle berechnet. Alles für das grosse Ziel: Am 22. Oktober soll ihr Auto bei der World Solar Challenge an den Start gehen. Und im Idealfall am 29. Oktober möglichst als erstes durchs Ziel rollen.
Davor wartet noch viel Arbeit auf das rund 40-köpfige Team. Am Pfingstwochenende verliess das Chassis des Einsitzers die Werkstatt im Technopark in Richtung Zürich-West. In einem Lieferwagen ging es knapp 15 Kilometer ostwärts zum Flugplatz in Dübendorf. Einige Tage hatte das Team dort Zeit, das Auto so zu präparieren, dass es eine Jungfernfahrt absolvieren konnte.
Bei meinem Besuch in einem der Hangars versucht Alexandr Ebnöther gerade, die Bremsen funktionsfähig zu bekommen. Ein Auto, das nicht bremsen kann, darf nicht auf die Testfahrt.
Es sieht so aus, als wäre zu wenig Öl in den Schläuchen, welche die Bremse hydraulisch ansteuern. Also muss es hineingepumpt werden. Von Hand. Ein Job, den Frederike Brockmeyer übernommen hat. Sie pumpt und pumpt und pumpt. Bis Alexandr sagt, dass es reicht. Wieder ein Schritt geschafft.
Das künftige Rennauto steht aufgebockt im Hangar. Ein schwarzes Chassis aus Carbon. Im hinteren, unteren Teil befindet sich das Paket mit den Akkuzellen. Der Elektromotor ist bereit, das einzelne Hinterrad anzutreiben. Im Cockpit ist das Steuerrad montiert, das an einen Formel-1-Boliden erinnert.
Alles ist mit allem irgendwie verbunden. Kabel verbinden kleine Steuerungsplatinen, die an vier Stellen auf das Chassis geschraubt sind. Der Mann, der weiss, was hier passiert, ist Pascal Burkhard. Er kennt den Auftrag der Chips und Platinen, die für mich alle gleich aussehen. Für das Testing ist vieles noch improvisiert und nur mit Duct-Tape befestigt.
«Die Elektronik soll in erster Linie funktionieren», sagt Pascal. Für den ersten Fahrtest soll der Strom ausschliesslich aus dem Akku kommen. Die Hülle für das Auto, auf der die Solarzellen befestigt sind, ist noch in Arbeit. Deshalb hat das Team die Batterien bereits im Technopark geladen. Maximal fünf Kilowatttstunden Kapazität stecken in der insgesamt 26 Kilogramm schweren Batterie. 20 Kilogramm alleine wiegen die Akkuzellen. Zum Vergleich: Das Model Y von Tesla, eines der derzeit am meisten verkauften Autos in der Schweiz, hat 79 Kilowattstunden, wiegt dafür aber auch locker eine halbe Tonne. Dafür fährt der Solar-Rennwagen der ETH-Studierenden mit seinen fünf Kilowattstunden genauso weit wie das Model Y.
Der Preis dafür? Weniger Luxus, deutlich weniger. Naja, eigentlich gar keiner. Das Cockpit sieht noch nicht danach aus, als könnte da ein Fahrer im Oktober stundenlang über australische Strassen fahren. «Komfort kommt später», erklärt mir Aaron Griesser. «Jedenfalls ein wenig», ergänzt er lachend. Denn das Rennauto des ETH-Teams soll möglichst leicht sein, um mit der Energie der Sonne schnell und weit fahren zu können. Deshalb sind die Reifen besonders dünn und der Fahrer sitzt tief im Auto, um den Windwiderstand gering zu halten.
Es fährt!
Am frühen Abend ist es dann soweit, die beiden Bremskreisläufe sind einsatzbereit. Das Auto kann endlich auf die Strecke. Fahrer Jonas Rudin nimmt Platz und das Steuer fest in beide Hände. Noch einmal wird das Auto an den Laptop angeschlossen und die Elektronik überprüft – und dann rollt es langsam los.
Es ist ein Moment, der das Team mit Stolz erfüllt. Die jungen Frauen und Männer haben es geschafft und aus der Theorie etwas gebaut, das in der Praxis funktioniert.
Auch wenn in Dübendorf der Sonnenuntergang schon naht, ist es für die Crew eher ein Aufbruch zu den nächsten Etappen. Über das Projekt folgen weitere Beiträge hier im Magazin.
Titelfoto: Jonas RudinJournalist seit 1997. Stationen in Franken, am Bodensee, in Obwalden und Nidwalden sowie in Zürich. Familienvater seit 2014. Experte für redaktionelle Organisation und Motivation. Thematische Schwerpunkte bei Nachhaltigkeit, Werkzeugen fürs Homeoffice, schönen Sachen im Haushalt, kreativen Spielzeugen und Sportartikeln.