Das Punkt MC02 kommt ohne Google aus und wäre mit einem helleren Display viel besser
Produkttest

Das Punkt MC02 kommt ohne Google aus und wäre mit einem helleren Display viel besser

Jan Johannsen
17-10-2024

Beim MC02 steht der Datenschutz im Vordergrund und die Hardware spielt nur eine Nebenrolle. Google erhält keine Daten und ein VPN-Dienst gehört zum kostenpflichtigen Software-Paket.

Android-Smartphones ohne Google muss man sich in der Regel selber einrichten. Der Schweizer Anbieter Punkt bietet mit dem MC02 eine Alternative. Die installierte Android-Version hört auf den Namen «Apostrophy» und basiert auf GrapheneOS. Sie kommt ohne Google-Dienste aus, soll aber bei Bedarf über MicroG Zugriff auf diese bieten – ohne Daten an den Konzern weiterzugeben. Dieser und weitere Software-Kniffe leiden allerdings unter der teils miserablen Hardware.

Aphy statt Google

Apostrophy ist nicht nur eine Benutzeroberfläche für Android, sondern ein eigener Service unter aphy.app. Dieser ersetzt Google-Dienste in den Bereichen E-Mail, Kontakte, Kalender, Datenspeicher in der Cloud und To-dos. Die Daten liegen auf Servern in der Schweiz. Das funktioniert, aber man merkt, dass Aphy weniger UI-Designer hat als Google. Die optische Darstellung wirkt schlicht.

Die meisten Dienste von Aphy finden sich direkt auf der Startseite.
Die meisten Dienste von Aphy finden sich direkt auf der Startseite.
Quelle: Jan Johannsen

Während Google die Daten der Nutzenden zu Geld macht, musst du für Aphy nach zwölf Monaten bezahlen. Pro Monat 14,99 Franken oder 11,99 Franken monatlich, wenn du für ein Jahr bezahlst. Das MC02 soll mindestens vier Jahre lang Softwaresupport erhalten.

Der Homescreen des MC02 beziehungsweise von Apostrophy ist mit Absicht in Schwarz-Weiß gehalten. Das soll ebenso – wie eine nicht ständig vorhandene Datenübermittlung an Google – den Stromverbrauch reduzieren.

Große Auswahl an App Stores

Mit dem «Aphy Store» verfügt Apostrophy über einen eigenen App-Store. Der bietet allerdings so gut wie keine Apps an. Mit wenigen Klicks lassen sich die Repositories genannten Kataloge anderer, alternativer App-Stores wie F-Droid oder Aurora hinzufügen.

Aphy Store mit F-Droid ergänzt.
Aphy Store mit F-Droid ergänzt.
Quelle: Jan Johannsen

Benötigst du Zugriff auf den Play Store, kannst du auch diesen – inklusive der Play Services über MicroG – auf dem MC02 installieren. Dabei soll der «GSM Wizard» dafür sorgen, dass du die Apps anonym herunterlädst und Google auch sonst keine Daten erhält. Die gehen einzig an die jeweiligen Apps, die du benutzt.

Das klingt für mich gut, ich kann mit meinen Fähigkeiten aber nicht überprüfen, wo welche Daten hingehen. Zudem ist der beste Datenschutz, so wenig Apps wie möglich und so wenig online zu sein, wie nötig. Google und auch andere Großkonzerne sammeln nicht nur mit ihren direkten Diensten Daten, sondern sind über ihre Werbeplattformen großflächig präsent.

VPN mit drei Standorten

Mit «Digital Nomad» gehört ein VPN-Dienst zum kostenpflichtigen Angebot von Apostrophy. In der zugehören App kann ich mit einem Klick zwischen drei Standorten wählen: Deutschland, USA und Japan. Das funktioniert beim kurzen Ausprobieren problemlos und ich kann mir US-Inhalte anschauen, die ich von meinem Standort sonst nicht angezeigt bekomme. Die Überprüfung der IP-Adresse zeigt einen Standort im Großraum Dallas an.

Welcher der drei Standorte darf es sein?
Welcher der drei Standorte darf es sein?
Quelle: Jan Johannsen

' Ledger App-Berechtigungen per Drehregler definieren

Eine weitere Besonderheit von Apostrophy sind die sogenannten Ledger. Die gibt es für jede App. Dazu muss ich so lange auf ein App-Logo drücken, bis das Auswahlmenü erscheint. Über die Drehregler kann ich die Berechtigungen und den Energieverbrauch jeder App regulieren.

Unter den zwei Drehknöpfen zeigt das MC02 den Stromverbrauch der App an.
Unter den zwei Drehknöpfen zeigt das MC02 den Stromverbrauch der App an.
Quelle: Jan Johannsen

Beim Datenschutz bietet mir der Drehknopf fünf Stufen an – von «Alle angeforderten Berechtigungen gewährt» bis zu «Alle angeforderten Zugriffsberechtigungen verweigert». Ein kleiner Text daneben informiert mich, welche Zugriffe ich erlaube und welche nicht. Kleines Designproblem: Der Text ist am Ende abgeschnitten. Ich kann aber auch weiterhin über die App-Info die Berechtigungen wie auf jedem anderen Android-Gerät einzeln verwalten.

Mit dem zweiten Drehknopf reguliere ich, in welchem Umfang eine App auf Hintergrunddaten und die Batterie zugreifen darf oder anders gesagt: Ob sie im Hintergrund laufen darf. Darunter sehe ich sogar noch, wie viel mAh die jeweilige App an welchem Tag verbraucht hat. Leider nur als Balkendiagramm mit unterschiedlichen Skalen. Das ist spannend zu sehen, könnte aber übersichtlicher aufbereitet sein. So würde ich zum Beispiel auch direkte Vergleiche von Apps spannend finden.

Mängel bei der Hardware

Punkt ruft mit etwa 700 Franken/Euro einen stolzen Preis für das MC02 auf. Dafür bekommst du bei anderen Herstellern ein teures Mittelklasse- oder günstiges Top-Smartphone. Spontan fällt mir das Galaxy S24 ein. Das Problem ist, dass die Hardware des Smartphones mich selbst bei einem günstigen Einsteiger-Smartphone enttäuschen würde. Damit macht die Nutzung von Apostrophy keinen Spaß.

Das Display ist nicht hell genug

Das beginnt beim 6,67 Zoll großen IPS-Display. Die Auflösung von 2400 × 1080 Pixel ist zwar noch in Ordnung, aber die Bildwiederholrate von 60 Hertz ist veraltet. Was richtig stört, ist die geringe Helligkeit von 400 Nits. Das ist zwar für Notebooks ausreichend, aber zu wenig für ein Smartphone, das ich im Freien benutzen will. Selbst wenn Wolken die Sonne verdecken, fällt es mir schwer, etwas auf dem Touchscreen zu erkennen.

Auf dem Foto ist das Display besser zu erkennen als in der Realität.
Auf dem Foto ist das Display besser zu erkennen als in der Realität.
Quelle: Jan Johannsen

Gute Akkulaufzeit

Da ist es für mich auch kein Argument, dass die geringe Helligkeit für eine längere Akkulaufzeit sorgt. Das bringt mir nichts, wenn ich das Smartphone kaum nutzen kann. Der Akku des MC02 hat mit 5500 mAh bereits eine leicht überdurchschnittliche Kapazität. Mit dem Batterietest von PCMark 3.0 messe ich bei voller Displayhelligkeit eine Akkulaufzeit von 10:51 Stunden. Das ist ein sehr guter Wert. Den erreichen zwar nicht alle, aber auch andere Smartphones mit helleren Displays. Beim Laden der Batterie habe ich maximal 16 Watt gemessen. Da aber auch andere Geräte hier nur selten das vom Hersteller angegeben Maximum erreichen, schätze ich den nominellen Wert des MC02 auf 25 Watt. Das ist nicht super schnell, aber OK.

Fühlt sich langsamer an, als die Testergebnisse nahelegen

Der verbaute Mediatek Dimensity 900 und die sechs Gigabyte Arbeitsspeicher an seiner Seite lassen das Punkt MC02 langsam wirken. Oder vielleicht sind die Animationen der Oberfläche aus Stromspargründen nicht so schnell. Egal was der Grund ist, mich stört es.

Im Vergleich zu anderen Chipsätzen aus dem Einsteiger- bzw. Mittelklassebereich schneidet der Dimensity 900 gar nicht so schlecht ab. Dabei habe ich die anderen Smartphones als deutlich schneller in Erinnerung behalten.

Bei Geekbench, der die Leistungsfähigkeit von CPU und GPU misst, schneidet der Dimensity 900 besser ab, als der in die Jahre gekommene Snapdragon 695 des Moto G84. Nur beim PCMark Work 3.0, der verschiedene Alltags-Szenarien simuliert, schneidet der Dimensity schlechter ab. Die neueren Mittelklasse-Chips Dimensity 7200 Pro im Nothing Phone (2a) und Snapdragon 7s Gen 2 im Xiaomi Redmi Note 13 Pro 5G übertreffen den 900er weniger klar als ich erwartet hatte. Der Snapdragon 7s Gen 2 schneidet bei der GPU sogar schlechter ab.

Fotos bitte nur bei Tageslicht

Das MC02 verfügt über drei Kameras auf der Rückseite: eine Hauptkamera mit 64 Megapixeln Auflösung, eine 8-Megapixel-Ultraweitwinkelkamera und eine 2-Megapixel-Makrokamera. Dazu kommt eine 24-Megapixel-Frontkamera für Selfies.

In der Kamera-App fällt mir der umständliche Wechsel zwischen den Kameras auf. Das passiert nicht beim Zoomen, sondern ich muss in den «More»-Bereich gehen und dort die Ultraweitwinkelkamera aktivieren. Zurück ist ebenfalls dieser Weg nötig, nur dass die Hauptkamera unter «Mittel» firmiert. Bei anderen Smartphones muss ich so maximal die Makrokamera aktivieren.

Die Farben wirken verwaschen.
Die Farben wirken verwaschen.
Quelle: Jan Johannsen

Bei Tageslicht sind die Fotos des Punkt MC02 halbwegs in Ordnung. Die Detailgenauigkeit genügt für die Anzeige auf dem Smartphone-Display die Farben wirken jedoch ausgewaschen. Die hohe Auflösung erweist sich hier nicht als Vorteil. Sobald ich die Aufnahme etwas vergrößere, wird sie zum Pixelbrei.

Trotz voller Auflösung lässt die Detailgenauigkeit zu Wünschen übrig.
Trotz voller Auflösung lässt die Detailgenauigkeit zu Wünschen übrig.
Quelle: Jan Johannsen

Mit Kontrasten kommt die Kamera zurecht, lässt es aber bei einem weiteren Blick an Klarheit und Schärfe missen. Und das, obwohl Punkt beim MC02 die volle Auflösung von 64 Megapixeln ausliefert und auf «Pixel Binning» verzichtet. Also keine nebeneinanderliegenden Pixel zusammenfasst. Das soll nicht nur die Bildqualität verbessern, sondern auch für kleinere Dateien sorgen.

Bei Dunkelheit kann ich umständlich einen Nachtmodus auswählen. Meiner Meinung nach lohnt sich das nicht. An der schlechten Bildqualität ändert sich nichts. Mir gefällt die Aufnahme mit der Automatik sogar ein wenig besser.

Die Ultraweitwinkelkamera hält trotz geringer Auflösung mit der Hauptkamera mit – was hier aber nicht positiv ist.
Die Ultraweitwinkelkamera hält trotz geringer Auflösung mit der Hauptkamera mit – was hier aber nicht positiv ist.
Quelle: Jan Johannsen

Die Ultraweitwinkelkamera hat eine geringe Auflösung und reiht sich in die Bewertung mit ein.

Blasses Selfie
Blasses Selfie
Quelle: Jan Johannsen

Die Selfies wirken blass. Auf dem Smartphone-Display wirke ich noch scharf, der Hintergrund aber bereits pixelig – und nicht nur unscharf. Zoome ich etwas in das Bild herein, werde ich ebenfalls schnell zum Pixel-Monster.

Fazit

Gute Idee, aber zu teuer mit zu vielen Mängel

Die Idee von Punkt und Apostrophy ist sympathisch: Leuten, die selber wenig Aufwand betreiben wollen, ein Smartphone mit mehr Datenschutz und Privatsphäre zur Verfügung stellen. Dafür finde ich auch einen monatlichen Betrag angemessen. Für andere Dienste bin ich auch bereit zu zahlen und bekomme etwas Cloud-Speicher und vor allem einen VPN-Dienst. Aber insgesamt erscheint mir Apostrophy schon doch teuer.

Selbst wenn ich die ersten zwölf Inklusivmonate vom Gerätepreis abziehe, sind etwa 520 Euro für das MC02 mit seiner Hardware ein viel zu hoher Preis. Selbst wenn es günstiger wäre, kommt bei der Nutzung des Smartphones keine Freude auf. Vor allem mit dem für den Außeneinsatz zu dunklen Display macht mir Punkt die Vorteile von Apostrophy nicht schmackhaft.

Die schlechte Bildqualität der Kameras und die langsam wirkende Benutzeroberfläche schrecken mich ebenfalls ab. Dabei braucht es gar nicht die Ausstattung eines Top-Smartphones. Mir sind bereits Geräte für 200 bis 300 Euro/Franken untergekommen, die deutlich attraktiver sind. Wobei deren Hersteller wahrscheinlich bessere Einkaufskonditionen als Punkt haben.

So wird es die gute Idee eines Smartphones mit Fokus auf Privatsphäre und Datenschutz schwer haben, sich durchzusetzen – zumindest als Gesamtpaket. Da erscheint es mir attraktiver, ein besseres Smartphone selber mir GrapheneOS zu versehen.

Pro

  • wenig Daten an Google
  • GrapheneOS und MicroG vorinstalliert
  • lange Akkulaufzeit

Contra

  • zu dunkles Display
  • schlechte Bildqualität
  • wirkt bei Benutzung langsam
Titelbild: Jan Johannsen

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Als Grundschüler saß ich noch mit vielen Mitschülern bei einem Freund im Wohnzimmer, um auf der Super NES zu spielen. Inzwischen bekomme ich die neueste Technik direkt in die Hände und teste sie für euch. In den letzten Jahren bei Curved, Computer Bild und Netzwelt, nun bei Digitec und Galaxus. 


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