Das lief doch super, Schatz! Feiere gute Zeiten und kleine Erfolge
16-11-2023
«In guten wie in schlechten Zeiten»: ein schönes Versprechen. Doch in vielen Beziehungen wird nur die Hälfte davon eingelöst. Klar stärkst du deinem Schatz den Rücken, wenn es hart auf hart kommt. Aber teilst und feierst du in deiner Beziehung auch schöne Momente und positive Nachrichten? Wichtig wäre es.
Kündigung, Krankheit, Kindstod ... Sie hatten so viel gemeinsam durchgestanden. Deshalb hätte ich jede Wette abgeschlossen, dass meine Freundin Marlene und ihr Mann gemeinsam alt werden. Doch für sie und Stefan gibt es keine Zukunft. Sie trennen sich gerade. Jetzt, da sie eigentlich alle Tiefs zusammen gemeistert haben und ihre Partnerschaft genießen könnten, stellen sie fest: Sie haben irgendwie verlernt, wie das mit dem Gemeinsam-Glücksein geht.
Beistand säen, Trennung ernten
So unfassbar ihr Beziehungsaus (für mich) ist: Das Paar ist damit kein Einzelfall, weiß Shelly Gable, Professorin am Department of Psychological & Brain Sciences der University of California. Mit ihrem Forschungsteam betreibt sie das Emotion, Motivation, Behavior and Relationships Lab (EMBeR), das unter anderem erforscht, was Partnerschaften glücken lässt und was nicht.
Von ihren Probandinnen und Probanden hört die Psychologin immer wieder das Gleiche: Unterstützt hätten sie sich, Probleme bekämpft und Beistand gesät. Doch als dann die Zeit der Ernte hätte kommen können, sei die Liebe verdorrt gewesen. Denn wie Marlene und Stefan «haben sie sich zwar stets gegenseitig aufgefangen. Doch so war keine Hand mehr frei, sich in guten Zeiten auch mal gegenseitig auf die Schulter zu klopfen oder um auf schöne Momente anzustoßen.»
Capitalization: Gutes teilen, besser lieben
Dabei ist genau dieses «Celebrate good times» so wichtig. Mehr noch: Es ist eine Beziehungserfolgsstrategie, die die Expertin «Capitalization» nennt. Sicher: Sich in dunklen Stunden beizustehen und gemeinsam Probleme zu lösen, gehört zu einer guten Partnerschaft, das betont auch Gable. «Doch das allein ist eben keine Basis für ein dauerhafte Beziehung.»
Shelly Gable hat in ihren Studien herausgefunden, dass es für eine Beziehung eben auch bedeutsam ist, gute News und Positives im Alltag zu teilen, kleine Erfolge zu feiern und bewusst die Highs auszuleben. Denn nur dann, sagt Gable, würden schöne Erinnerungen generiert und damit jenes «Wir haben es gut miteinander»-Gefühl, das der Boden für Liebe und stabile, vertrauensvolle, intime Partnerschaften ist.
Das Glück aktiv potenzieren
«Capitalization ist keine Vogel-Strauß-Taktik», erklärt die Expertin. «Sind Probleme da, gehören sie selbstverständlich auf den Tisch und gelöst.» Doch viele Paare würden eben dazu tendieren, sich so sehr mit Hürden zu beschäftigen, dass sie vergessen, die schönen Momente des L(i)ebens zu feiern. «Ganz nach dem Motto: Kümmern wir uns erst mal um die Downs. Dann geht es ihm, mir, uns besser», so Gable.
Doch genau das sei eben ein Trugschluss. «Wenn es dem Liebsten schlecht geht, kann man ihn bestenfalls in einen neutralen, nicht so gestressten Gemütszustand zurückversetzen. Nimmt man hingegen aktiv an seinen guten Momenten teil, potenziert man das Glück. Versäumt man das vor lauter Grübeln, dann ist das, als würde man ihm sein High versauen. Und das lässt sich niemand auf Dauer gefallen.»
Hürden auf dem Weg: Warum du auf Negatives gepolt bist
In der Praxis ist Glückspotenzierung nicht immer einfach. «In der Literatur findet man Hinweise, dass von den 60 000 bis 80 000 täglichen Gedanken durchschnittlich 24 Prozent negativ sind und nur 3 Prozent positiv», so Gable. «Das würde bedeuten: Der Durchschnitt hat achtmal mehr negative als positive Gedanken. Zudem geht die Forschung davon aus, dass die Anzahl der negativen Gedanken unter Stress noch einmal stark ansteigt, auf bis zu 70 Prozent.»
Die 70 Prozent sind oft schnell erreicht. Denn selbst wenn 123 Dinge am Tag gut sind, fokussieren Menschen sich häufig auf die Fehler, falschen Worte, Peinlichkeiten, Ärgernisse. Manchmal genügt schon eine verspätete U-Bahn, um jemandem den Tag zu versauen. Und dem Herzblatt gleich mit, weil es ja umgehend via SMS über den Ärger informiert wird.
Warum wir Negativem mehr Aufmerksamkeit schenken als Positivem? Ein evolutionäres Überbleibsel aus Säbelzahntigerzeiten. «Das Gehirn ist darauf programmiert, Gefahren und Risiken stärker und schneller zu erkennen als Positives», sagt Gable. Erschwerend kommt hinzu, dass Positives in der Alltagswahrnehmung gern untergeht. «Während man es als selbstverständlich nimmt, laufen zu können und es daher nicht mehr als etwas Gutes verbucht, registrieren wir negative Veränderungen wie ein Gipsbein deutlich.» Und so passiere es, dass die unzähligen guten gegenüber den wenigen schlechten Lebenserfahrungen in den Hintergrund treten.
Positives zelebrieren: So geht‘s
Die gute Nachricht: Trotz Steinzeit-Erbe und Alltagsverzerrung kannst du die Capitalization-Technik anwenden. Es braucht nur etwas Achtsamkeit für das Schöne und diese Tipps von Shelly Gable:
Sei mitteilsam
Mach den Anfang: Rede abends aktiv und vielleicht sogar institutionalisiert durch eine festgesetzte «positive Plauderstunde» über die schönen Dinge, die dir widerfahren sind. Lade deinen Partner ein, sich mit dir zu freuen, feiere mit deiner Liebsten. Kommt zu wenig Feedback oder gar eine negative Rückmeldung, sprich ruhig an, dass das deine Gefühle verletzt und wie wichtig es dir ist, dass man(n) sich mit dir freut.
Sei neugierig
«Capitalization ist jedoch keine Einbahnstraße. Man muss auch die schönen Momente des anderen teilen und diese ausdehnen», so Gable. Ob kleine Erfolge im Job, Fortschritte im Sport oder Freude an einem abgeschlossenen Hobbyprojekt: Stelle deinem Gegenüber Fragen, wie ihm oder ihr das gelungen ist. «Das gibt die Möglichkeit, sich noch einmal ausgiebig im Glück zu sonnen und sich der eigenen Stärken bewusst zu werden – ohne sich wie ein Angeber zu fühlen», erklärt Shelly Gable. Deine Nachfragen zeugen zudem nicht nur von Interesse an jenen Dingen, die ihm oder ihr gerade wichtig sind, sondern ermutigen deinen Schatz auch, dich künftig (noch) mehr einzubinden in sein oder ihr Leben.
Sei enthusiastisch
Du musst nicht gleich die Cheerleader-Uniform anlegen, aber feure deinen Schatz an. Nicht nur dann, wenn Unterstützung nötig ist, weil es gerade nicht so läuft. Juble vor allem in jenen Momenten, in denen bereits kleine Siege eingefahren wurden. Der alte Anzug, das alte Kleid passt wieder? Dann macht euch doch schick fürs Konzert. Projekt abgeschlossen? Hurra, der Champagner steht kalt. «Lass alles stehen und liegen, wenn der oder die Liebste mit guten News nach Hause kommt – und freu dich ausgiebig mit», rät Gable. «Und bitte behalte Bedenken á la ‹Mal sehen, wie lange du das Gewicht diesmal hältst› oder ‹Gibt es schon ein neues Projekt, das Geld abwirft?› für dich – auch berechtigte. Jemandem die Erfolgsparade zu verhageln, ist kein guter Liebesdienst.»
Sei verständnisvoll
Zeige, dass du verstehst, welche Bedeutung die tolle Erfahrung, die der Partner oder die Liebste gerade mit dir teilt, für ihn oder sie hat. Denn wer sich in der «Richtigkeit» seines guten Gefühls bestätigt fühlt, kann es noch mehr auskosten. «Mach auch klar, dass du genau weißt, wie sehr sich dein Partner seinen Erfolg gewünscht hat. Das zeigt ihm, wie gut du ihn und seine Wünsche kennst und verbindet euch», so Shelly Gable. Mag sein, dass die Freude über eine seltene Briefmarke, die endlich entdeckt wurde, schwer nachvollziehbar ist. Aber bitte: Behandle das, was dein Partner liebt, mit Respekt. Er wird es dir danken.
Sei aufmerksam
Klar, über den Sieg seiner Lieblingsmannschaft oder das neue Kunststück ihrer Katze bist du nicht ganz so begeistert wie deine bessere Hälfte. Aber mit darauf anstoßen, kannst du ja trotzdem. Achte nur darauf, dass du nicht nonverbal verrätst, dass du mehr am Drink interessiert bist als am Feieranlass. Ein tiefer Blick in die Augen und ein Lächeln plus eine offene, entgegenlehnende Körperhaltung signalisieren: «Ich interessiere mich für deine Themen – und damit für dich.»
Sei frei von Vergleichen
«Es kann herausfordernd sein, sich einfach nur mitzufreuen und die Erfolge des Gegenübers nicht gleich mit den eigenen zu vergleichen oder über eigene Erfahrungen zum Thema zu reden», weiß Gable. Es ist aber wichtig, das mal hintanzustellen. Denn Vergleiche machen weder dich noch deinen Schatz glücklich.
Sei offen
Frag deinen Schatz, welche Form von Feier gewünscht ist. Auch das ist wichtig, um sich gesehen und verstanden zu fühlen. Je öfter dein Gegenüber erlebt, wie positiv du reagierst, desto öfter werden gute Nachrichten auch in Zukunft geteilt. «Dadurch wird die Beziehung inniger.» Manchmal gehen gute News im Alltagsstress unter – holt das Feiern dann nach. «Dabei auch einmal Freunde und Familie einzubinden, kann zudem die Beziehung zum Umfeld stärken.»
In schönen Tagen die Beziehung stärken
Das Gute noch besser machen: Wer spürt, dass die Person, der man von glücklichen Momenten erzählt, empfänglich und engagiert ist, fühlt sich in der Beziehung glücklicher, verbundener. Zuneigung, Dankbarkeit und Hingabe wachsen. Die Gründe: «Ein aufrichtiges Mitfreuen stärkt das Vertrauen in die Person, der wir uns öffnen, und verstärkt den Wunsch, dieser Person gegenüber rücksichtsvoll und hilfreich zu sein. Und wenn wir wissen, dass eine geliebte Person in der Lage ist, sich mit uns zu freuen, werden wir sie auch eher als eine Quelle des Trostes in Zeiten des Stresses sehen», betont Gable.
Dass die Technik der so genannten «Capitalization» in vielerlei Hinsicht mit stärkeren, engeren Beziehungen verbunden ist, haben auch verschiedene Studien anderer Forscherinnen und Wissenschaftler belegt, etwa diese. Das Konzept «Celebrate good times» lässt dich übrigens nicht nur glücklicher, sondern auch gesünder und länger leben.
Titelfoto: shutterstockDaniela Schuster
Autorin von customize mediahouse
Gäbe es meinen Job nicht, würde ich ihn erfinden wollen. Schreiben ist die Möglichkeit, ein paar Leben parallel zu führen. Heute stehe ich mit einer Wissenschaftlerin im Labor, morgen gehe ich mit einem Forscher auf Südpolexpedition. Täglich entdecke ich die Welt, erfahre Neues und treffe spannende Menschen. Aber nur kein Neid: Das Gleiche gilt fürs Lesen!
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