Bingo: Diese Kollektion überrascht mit ihrem verspielten Design
Palma ist ein brasilianisches Kreativstudio aus São Paulo, das 2020 von der Künstlerin Cleo Döbberthin und dem Architekten Lorenzo Lo Schiavo gegründet wurde. Das Duo arbeitet in den Bereichen Bühnenbild, Grafikdesign, Inneneinrichtung und Produktdesign. Vor Kurzem präsentierte es eine Kollektion, die von der Ästhetik von Spielen beeinflusst ist.
Von Weitem wirkt die «Bingo – Kollektion Nr. 2» von Palma an der Milan Design Week unaufgeregt. Sie ist in einer Garage eines Hinterhofs und zeigt Lampen, Tische und Sessel in zurückhaltenden Farben. Doch von Nahem erstaunen mich die Objekte mit Elementen, die ich von Gesellschaftsspielen kenne. Das ist kein Zufall. Im Interview erzählt mir Lorenzo Lo Schiavo, warum das Studio Spielereien im Designprozess für besonders wichtig hält.
Auf den ersten Blick sind die Stücke der «Bingo – Kollektion Nr. 2» sehr unterschiedlich. Was haben sie gemeinsam?
Lorenzo Lo Schiavo: Sie verfolgen einen gemeinsamen kreativen Ansatz, der sowohl durch das Spielästhetik-Konzept als auch durch die Machart geprägt ist. An der Spielästhetik fasziniert uns, wie diese den Nutzenden zur Interaktion einlädt. Ausserdem teilen die Stücke einen taktilen Ansatz, bei dem wir polierte Oberflächen rauen gegenüberstellen. Während der Spiegel «Jogo do Ganso» (Gänsespiel) eine dreifache Patina besitzt, hat der «Biscoito»-Tisch eine einzigartige glatte Oberfläche, die einen Trompe-l'œil-Effekt erzeugt. Letztere ist mit einem von uns eigens entwickelten Verfahren des Schichtens von Aluminiumfolie, Harz, Fiberglas und anderen Materialien entstanden.
Die Tischlampe «Mikado» hat Stäbchen wie das gleichnamige Geschicklichkeitsspiel. Wie kamt ihr auf die Idee, ausgerechnet diese fragilen Elemente als Lampenfuss zu verwenden?
Als wir Spiele recherchierten, stiessen wir auf Mikado-Stäbchen und fanden sie perfekt, um einige Stücke daraus abzuleiten. Für eine Lampe wollten wir schon seit einiger Zeit an einer Tausendfüssler-Idee arbeiten. Daher schien das Mikado-Set mit seinen 41 Stäbchen ein guter Ausgangspunkt zu sein.
Quelle: Pia Seidel
Sind diese spassigen Elemente etwas, das ihr in euren Designs verfolgt oder purer Zufall?
Wir würden nicht sagen, dass wir gezielt auf ein lustiges Aussehen und Gefühl abzielen, obwohl viele Leute unsere Arbeit so interpretieren. Gleichzeitig begrüssen wir den Zufall im Designprozess. Wir haben einen sehr offenen Ansatz bei der Konzeption unserer Kollektionen. Fehler, Versuch und Irrtum, ja sogar Wortspiele spielen in den frühen Phasen eine grosse Rolle. Der Prozess selbst macht Spass, da wir häufig keine Ahnung haben, wo wir landen und wie sich Dinge fügen werden. Vielleicht könnten wir das spassige Element als eine erwartete Zufälligkeit bezeichnen.
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
Quelle: Pia Seidel
Wie würdest du demnach euer Design-Leitmotiv zusammenfassen?
Wir betrachten Design als einen fortlaufenden, oft zirkulären Dialog zwischen unseren Referenzen, Experimenten und bisherigen Werken. Wir glauben, dass interessante Ergebnisse entstehen, wenn wir zum Beispiel Elemente vom italienischen Architekten Andrea Palladio, YouTube-Tutorials und Donuts miteinander verschmelzen lassen. Weil wir zu zweit sind, versuchen wir ständig, unsere unterschiedlichen Ideen vereinen. Durch diese Amalgamierung sowie die Materialexperimente in unserem Atelier, finden wir neue, unerwartete Wege zu arbeiten und uns kreativ auszudrücken.
Quelle: Pia Seidel
Neben eurer Vorgehensweise ist auch die Wahl der Materialien ungewöhnlich. So ist zum Beispiel die Lampe «Estrela» aus Kokosfaser-Schwämmen. Wie kamt ihr auf die Idee, dieses Material einzusetzen?
Kokosfaser ist ein Material, das wir seit unseren ersten Arbeiten erkunden. Was uns daran gefällt, sind seine reiche natürliche Farbe und die besondere Haptik. Abgesehen davon ist es ein sehr kostengünstiges und weit verbreitetes Material. Da es in der Regel entweder zu Platten oder Schwämmen verarbeitet wird – wir haben beides in dieser Kollektion verwendet –, bietet es ein grosses formales und skulpturales Potenzial. Wie ein Spiel lädt es sein Gegenüber dazu ein, es anzufassen und damit zu interagieren.
Verwendet ihr bewusst natürliche Materialien wie Kokosfaser oder Eierschalen?
Das Eierschalenmosaik war etwas, womit wir arbeiten wollten, noch bevor wir begannen, Möbel zu fertigen. Wir wurden durch die Arbeiten vom schweizerisch-französischen Lackkünstler Jean Dunand sowie der japanischen Lackkunst darauf aufmerksam. Sofort waren wir von der schönen Textur, der Oberflächenbeschaffenheit und den vielen verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten angezogen.
Die Arbeit mit Eierschalen stelle ich mir so wackelig wie Mikado spielen vor. Wie seid ihr vorgegangen?
Für die ersten Stücke, die wir mit dieser Technik machten, haben wir tatsächlich selber Eier gesammelt, die wir zum Frühstück gegessen haben. Wir mussten zunächst durch Internet-Tutorials und spärliche schriftliche Quellen lernen, wie man damit umgeht, da wir keinen geeigneten Lieferanten fanden. Wir glauben, dass solche natürlichen, ungewöhnlichen Materialien einzigartige Eigenschaften haben. Es ist toll, dass wir mittlerweile einen Weg gefunden haben, sie zu verwenden, statt sie wegzuwerfen.
Wie ein Cheerleader befeuere ich gutes Design und bringe dir alles näher, was mit Möbeln und Inneneinrichtung zu tun hat. Regelmässig kuratierte ich einfache und doch raffinierte Interior-Entdeckungen, berichte über Trends und interviewe kreative Köpfe zu ihrer Arbeit.