«Autopsy Simulator» bietet eine spannende Geschichte, aber langweiliges Gameplay
Einmal Forensiker spielen, das ist mit «Autopsy Simulator» möglich. Entgegen dem Titel handelt es sich aber nicht um einen klassischen Simulator. Das Spiel ist vielmehr ein interaktiver Thriller mit Elementen einer Simulation.
Verbrannte, verstümmelte oder vom Wasser aufgedunsene Leichen – was du in «Autopsy Simulator» alles zu Gesicht bekommst, ist nichts für schwache Nerven. Und dann musst du die leblosen Körper auch noch untersuchen, um herauszufinden, woran die Personen gestorben sind. Der wahre Horror ist aber wie so oft nicht das, was du siehst, sondern das, was dahinter verborgen liegt – in der menschlichen Psyche.
«Autopsy Simulator» hat nur am Rande etwas mit einer Simulation zu tun. Während der rund vierstündigen Spieldauer erledigst du immer ähnliche Aufgaben. Immerhin wirst du mit einer spannenden, gut geschriebenen Geschichte für das repetitive Gameplay belohnt.
Der Rahmen
Du spielst den Rechtsmediziner Jack Hanman. Im Spiel gehst du deinem Job nach: Leichen untersuchen. Während der Obduktionen entschlüsselst du nicht nur die Todesursachen der Kadaver, sondern auch Jacks traumatische Vergangenheit. Du versuchst also wie im richtigen Leben Job und Privates unter einen Hut zu bringen. Bereits bei der ersten Leiche, die du untersuchst, ist klar, dass Jack nicht klar im Kopf ist und dass nicht alles so ist, wie es scheint. Mehr will ich zur Story nicht verraten. Denn sie ist es, die mich dazu gebracht hat, das Spiel bis zu den Credits durchzuzocken – auch wenn diese etwas abrupt kommen.
Interaktiver Roman statt Simulator
Gemäss Beschreibung ist «Autopsy Simulator» ein Hybrid aus Horror und Simulation. Ich würde beidem widersprechen. Für einen Simulator fühlt sich das Spiel zu sehr nach Tutorial an. Ich erledige zwar Simulator-ähnliche Elemente, etwa: entferne Magen, trage ihn zum Sezierplatz, schneide ihn auseinander. Aber dies tue ich immer auf Anweisung von Jack hin. Eigene Entscheidungen fälle ich nie. Auch Horror ist für mich die falsche Bezeichnung. Aufgrund der Abwesenheit des Übernatürlichen würde ich das Spiel eher in die Sparte der Psychothriller stecken.
Das Gameplay ist aber nicht nur repetitiv, sondern auch unnötig umständlich. Um etwa besagten Magen auseinanderzusäbeln, muss ich den Cursor innerhalb eines Zickzack-Rahmens bewegen. Fahre ich mal ausserhalb des vorgegebenen Rahmens, passiert: nichts. Ähnliche Gameplay-Mechaniken kommen immer wieder zum Einsatz. Um eine Pipette aufzuziehen, muss ich etwa per Mausklick die korrekte Dosis einstellen, dann die linke Maustaste gedrückt halten, die Maus nach unten ziehen und die Taste im richtigen Moment loslassen. Verpasse ich diesen, passiert wie beim Schnippeln: nichts. Ich muss es dann einfach nochmal versuchen. Damit ich in der Story vorankomme, ist das sinnvoll, aber entbehrt jeglicher Logik eines Simulators. Hier möchte ich Konsequenzen für mein Scheitern – oder zumindest Gameplay, das mich mehr packt als nervt.
Damit nicht genug, hat das Spiel auch noch einige Bugs. Per rechtem Mausklick verlasse ich etwa gewisse Ansichten. Das klappt aber nicht immer auf Anhieb und ich muss oft zig Mal klicken, bevor ich endlich weitermachen kann.
Die Gameplay-Elemente reissen mich auch zu fest aus der eigentlich spannenden Atmosphäre. Schockmomente, die Jacks labile Psyche ihm vorgaukeln, verkommen so zur Randnotiz. Dabei wären es genau diese Stellen, die sich mir ins Gedächtnis einbrennen würden. Das Erzähltempo leidet ebenso unter dem mauen Gameplay, da die Story immer wieder unterbrochen wird. Insgesamt würde ich das Spiel eher als interaktiven Roman, denn als Simulator bezeichnen.
Dies soll sich durch den «Autopsy Only Mode» ändern, der sich aktuell in Entwicklung befindet. Dort führst du dann Obduktionen durch, die bewertet werden.
Der Geschichte und die Präsentation sind die Highlights
Im Gegensatz zum Gameplay und der Atmosphäre überzeugt mich die gut erzählte Geschichte vollkommen. Jack Hanman ist sehr gut geschrieben. Statt mir ins Gesicht zu sagen, wieso er so mies drauf ist, erfahre ich das durch die Einflüsse, die das traumatische Erlebnis auf ihn hat. Jack braucht seinen Job, um vor seinen Gefühlen zu flüchten, ohne dass mir das Spiel dies sagt. Das äusserst sich auch durch den Zustand seiner Wohnung, die desolat aussieht. Sowieso ist die Umgebung, in der sich sein Leben abspielt, glaubwürdig dargestellt. Sie verstärkt seine Gefühle auch optisch. Grafisch ist «Autopsy Simulator» nach heutigen Standards keine Augenweide, aber die Darstellung erfüllt mehr als ihren Zweck.
Ebenfalls sehr gut ist das Sounddesign. Musik hörst du nicht. Das Dröhnen der fluoreszierenden Leuchten, ein Knacken im Gang oder das Geräusch beim Sezieren passen zur sterilen Umgebung eines Rechtsmediziners, wie ich sie mir vorstelle.
Fazit
Zocken für die Geschichte, nicht das Gameplay
«Autopsy Simulator» bietet eine spannende, kurzweilige Geschichte. Du solltest keine Probleme damit haben, virtuell Leichen zu obduzieren. Vom Gameplay musst du nicht allzu viel erwarten. Denn grösstenteils spielt sich das Game wie ein Tutorial – von einer Simulation ist es weit entfernt.
Insgesamt kann ich «Autopsy Simulator» aufgrund des schwachen Gameplays nur bedingt empfehlen. Vielleicht ändert sich dies, wenn der «Autopsy Only Mode» verfügbar ist. Bist du gewillt, 28 Franken / Euro für eine gute Geschichte locker zu machen, kannst du dennoch zugreifen.
Pro
- Spannende Geschichte
- Nachvollziehbarer Protagonist
- Atmosphärisches Sound- und Spieldesign
Contra
- Repetitives, umständliches Gameplay
- (Noch) kein Simulator
Technologie und Gesellschaft faszinieren mich. Die beiden zu kombinieren und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, ist meine Leidenschaft.