Ausprobiert! Eine Woche täglich meditieren
Hintergrund

Ausprobiert! Eine Woche täglich meditieren

Anna Sandner
12-5-2023

Bin ich ausgeglichener, ruhiger, vielleicht sogar glücklicher, wenn ich einmal am Tag meditiere? Oder merke ich keinen Unterschied? Bekomme ich es überhaupt hin, mir die Zeit dafür zu nehmen? Ich habe es ausprobiert, mit einem nachhaltigen Ergebnis.

Auf diese Ausprobiert-Woche habe ich mich schon im Vorhinein so richtig gefreut. Zwar will ich meiner Gesundheit mit den Selbstversuchen immer etwas Gutes tun, doch diesmal muss ich dafür auf nichts verzichten: Ich will mir einmal am Tag Zeit für eine Meditation nehmen, um etwas für meine seelische Gesundheit zu tun. Ich gönne mir ein wenig Ruhe und Entspannung und hoffe darauf, insgesamt einen positiven Effekt zu spüren.

Ausnahmsweise beginne ich meine Versuchswoche schon am Samstag. Nicht wie sonst zum Wochenstart am Montag. Das hat einen einfachen Grund: Ich konnte es nicht abwarten. Mit größeren Aufräumarbeiten zu Hause und einem kranken Kind, war mein Allgemeinzustand aufgerieben genug, um schon früher mit der täglichen Auszeit für meinen Kopf zu beginnen.

1. Tag: Erste Erkenntnis – ungestört klappt es besser

Ich beginne also, obwohl eigentlich partout keine Zeit dafür da ist. Aber gut, wenn ich sie mir nicht nehme, wird es nie etwas mit der inneren Ausgeglichenheit werden . Das Wetter kommt mir entgegen, sodass ich meine Meditationswoche im Freien starten kann. Ich lege mir ein Kissen auf die Wiese in einem gemütlichen Eckchen im Garten. Mein Sohn hüpft um mich herum und wird ausgiebig instruiert, mich nicht zu stören. Was natürlich völlig utopisch ist. Naiv wie ich bin, denke ich doch, er wird es 20 Minuten durchhalten.

Ich habe eine geführte Meditation zum Thema innere Entspannung und Gelassenheit gewählt, denn die kann ich dringend gebrauchen. Es klappt ganze sieben Minuten bis zur ersten Unterbrechung durch den ungeduldigen Sechsjährigen: «Nein, ich bin noch nicht fertig»; «Ja, du musst noch ein bisschen warten»; «Nein, ich will nicht jetzt schon aufhören»; «Ja, du kannst gerne mitmachen, wenn du leise bist ...» Okay, es war einen Versuch wert, aber die nächsten Tage werde ich einen Moment abpassen müssen, in dem ich alleine bin. Andernfalls wird das hier anstrengender, als es gar nicht erst auszuprobieren. Die restliche Meditation mache ich versteckt hinter einer Hecke und komme tatsächlich noch etwas zur Ruhe.

2. Tag: Eine Ladung Gelassenheit, bitte!

Ich habe dazu gelernt und warte heute ab, bis ich eine halbe Stunde alleine bin. Mein Gartenplätzchen ist leider nass, es hat den ganzen Morgen geregnet. Aber das soll kein Hindernis sein, ich mache es mir einfach auf dem Sofa gemütlich. Normalerweise meditiere ich im Sitzen, heute versuche ich es mal auf dem Rücken liegend. Die Gefahr einzuschlafen ist allerdings gegeben. Aber das Risiko gehe ich getrost ein, ich werde gegebenenfalls ohnehin bald wieder geweckt.
Es wird wieder eine geleitete, rund 20-minütige Achtsamkeitsmeditation. Heute fällt es mir bedeutend leichter loszulassen und mich ganz auf die Meditation zu konzentrieren. Kein Wunder, schließlich stört gerade niemand.

Der Tag hat noch so einiges an kleinen und größeren Aufregern für mich in petto. Ideal also, um die Wirkung der Meditation gleich mal auf den Prüfstand zu stellen. Ich bemerke durchaus eine gewisse innere Gelassenheit, die mich wesentlich entspannter aushalten lässt, was noch so kommt: unter anderem umgefallene Saftgläser, ausartende Diskussionen über längere Fernsehzeiten meines Sohnes und unzufrieden maunzende Stubentiger, die die Möbel zerkratzen. Aber: Ich bin zufrieden, insgesamt und mit meinem bisherigen Versuchsverlauf umso mehr.

3. Tag: Meditieren am imaginären Wasserfall

Schon am Morgen freue ich mich auf die nächste Meditationsrunde. So langsam komme ich wieder rein und habe schon jetzt den Vorsatz, das auch nach meiner Versuchswoche noch regelmäßig zu machen.
Vor einem Jahr etwa hatte ich mir eine regelmäßige Meditationsroutine angewöhnt, die ich leider nach einigen Monaten wieder schleifen ließ. Danach war es eher eine sporadische Beschäftigung. Wenn alles zu viel wurde und ich merkte, dass sich ein grundlegendes Stressgefühl breit macht, habe ich praktisch die Meditations-Notbremse gezogen. Jetzt wird mir wieder bewusst, dass ich es nicht so weit kommen lassen muss, oder vielmehr sollte. Schwierig ist es meistens nur, sich eine neue Regelmäßigkeit anzugewöhnen. Ist das erstmal geschafft, wird es häufig zum Selbstgänger.

Am heutigen Tag ist auf jeden Fall weder Überwindung noch allzu viel Organisation notwendig: Ich meditiere am Vormittag rund 25 Minuten im Schneidersitz, heute nur mit einem friedlichen Wasserplätschern im Hintergrund. Ich genieße die einkehrende Ruhe, während ich mich gedanklich an einem Wasserfall irgendwo im Grünen sehe.

Die Handhaltungen in der Meditation werden Mudras genannt und sollen helfen, die Konzentration zu halten und eine Harmonie zwischen Anspannung und Entspannung herzustellen. Früher fand ich es etwas albern, inzwischen mache ich die Handhaltung ganz automatisch, wenn ich mich zum Meditieren hinsetze.
Die Handhaltungen in der Meditation werden Mudras genannt und sollen helfen, die Konzentration zu halten und eine Harmonie zwischen Anspannung und Entspannung herzustellen. Früher fand ich es etwas albern, inzwischen mache ich die Handhaltung ganz automatisch, wenn ich mich zum Meditieren hinsetze.
Quelle: Anna Sandner

4. Tag: Zu hoch sollten die Erwartungen nicht sein

Schon Tag vier und ich wage zu behaupten, dass ich mich an den neuen regelmäßigen Tagesordnungspunkt gewöhnt habe. Ich nehme mir schon am Morgen fast eine halbe Stunde Zeit und versuche heute mal eine neue geleitete Meditation. Thema: Entscheidungen leichter treffen. Das kann ja nicht schaden, denke ich, die sich genau damit gerne mal schwertut. Es hilft dabei, meine Gedanken zu sortieren. Recht viele hilfreiche Erkenntnisse hat die geleitete Meditation allerdings nicht in petto. Aber wer weiß, vielleicht bin ich bei den nächsten Abwägungen nun trotzdem entscheidungsfreudiger (Spoiler: Der Effekt hat leider nicht eingesetzt). Zumindest hat mich die halbe Stunde wieder sehr entspannt und ich profitiere den restlichen Tag von der Ruhe, die sich tatsächlich immer mehr in mir verfestigt.

5. Tag: Auch fünf Minuten Entspannung im Chaos helfen

Heute ist ein typischer Chaostag, an dem die Zeit vergeht, bevor ich es schaffe, sie zu verplanen. Und so ist es bereits Abend, bis ich überhaupt dazu komme, ans Meditieren zu denken. Es muss heute also schnell gehen. DIE Gelegenheit, zu testen, ob auch eine fünfminütige Session Wirkung zeigt. Ich suche mir ein stilles Plätzchen, an dem ich ungestört bin und entdecke sogar eine geleitete Meditation, die mein kleines Zeitfenster nicht sprengt. Ich finde schnell zur Ruhe und freue mich, dass offenbar auch diese Mini-Meditation schon einen Effekt hat. Danach bin ich tatsächlich entspannter.

Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, denn bisher habe ich gar nicht erst daran gedacht zu meditieren, wenn ich nicht wenigstens zwanzig Minuten Zeit dafür freischaufeln konnte. Für die Zukunft heißt das: Die Ausrede «Zeitmangel» gilt nicht mehr. Besser fünf Minuten Auszeit als gar keine.

6. Tag: Mini-Meditation auf der Parkbank

Meine neue Erkenntnis kommt gleich am nächsten Tag erneut zum Einsatz: Als ich auf dem Weg bin, um ein paar Besorgungen zu machen, biege ich kurzerhand ab und setze mich für einige Minuten auf eine Parkbank. Augen zu, tief ein- und wieder ausatmen. Ich biete sicherlich ein ungewöhnliches Bild, wie ich da im Schneidersitz auf einer Parkbank sitze. Aber es gelingt mir, die Umwelt völlig auszublenden für diese paar Minuten. Und weiter geht es. Ich knapse mir im Laufe des Tages noch weitere zweimal ein bisschen Zeit ab und wiederhole meine neu entdeckten Mini-Meditationen. Super, das klappt besser als erwartet.

7. Tag: Abschluss einer erfolgreichen Woche – Startschuss für eine neue Routine

Diese Woche verging wie im Flug und schon bin ich an meinem letzten Ausprobiert-Tag angelangt. Heute wird es zeitlich wieder eng, aber da es mein letzter Versuchstag ist, will ich es nochmal richtig auskosten. Ich nehme mir meine Mittagspause dafür und habe eine Dreiviertelstunde zur ausgiebigen Entspannung. Draußen regnet es in Strömen, also rolle ich meine Yogamatte aus und setze mich auf den Wohnzimmerboden. Inzwischen bin ich wieder geübter darin, innerhalb kurzer Zeit zur Ruhe zu kommen. Dabei hilft mir tiefes Atmen immer am besten. Als meine Mittagspause vorbei ist, fühle ich mich wieder richtig erholt und ausgeruht. Das war ein gebührender Abschluss meiner Ausprobiert-Woche. Und doch habe ich den festen Vorsatz, gleich morgen weiterzumachen.

Fazit: Tägliche Meditation – das bleibt jetzt (fast) so!

Es ist natürlich immer ein sehr subjektiver Eindruck, den ich hier beschreibe, aber dafür ist er in dieser Woche ganz eindeutig: Diese Ausprobiert-Woche hat sich definitiv gelohnt und für mich absolut ausgezahlt. Auch wenn es nicht immer leicht war, die Zeit und Ruhe zu finden, hat es mit etwas Disziplin dann doch geklappt. Und ich würde behaupten, die Zeit, die ich für die Meditation gebraucht habe, konnte ich noch an jedem Tag wieder reinholen, da ich weniger Zeit mit Aufregen, Gestresstsein, Grübeln, Ärgern und Unruhe verschwendet habe. Im Laufe der Woche hat sich eine gewisse Grundruhe bei mir eingestellt. Ein unbezahlbares Gefühl, wie ich finde. Ich würde sogar soweit gehen, dass mich das Meditieren auch ein Stück glücklicher gemacht hat. Denn ausgelassen und in mir ruhend ist die Welt definitiv eine bessere!

Die Woche liegt nun schon eine kleine Weile zurück und ich konnte meinen Vorsatz umsetzen: Regelmäßige, kurze Meditationen (manchmal auch eine längere) sind wieder fester Bestandteil meines Alltags. Und auch, wenn ich es nicht täglich schaffe, hat es sich für mich noch jedes Mal ausgezahlt zu meditieren.

Fotos: Anna Sandner

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Wissenschaftsredakteurin und Biologin. Ich liebe Tiere und bin fasziniert von Pflanzen, ihren Fähigkeiten und allem, was man daraus und damit machen kann. Deswegen ist mein liebster Ort immer draußen – irgendwo in der Natur, gerne in meinem wilden Garten.


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