Aus- und wieder Einschalten: das Wunderheilmittel der digitalen Welt
Hintergrund

Aus- und wieder Einschalten: das Wunderheilmittel der digitalen Welt

«Hast du schon versucht, es mal aus- und wieder einzuschalten?», dürfte die gängigste Frage eines jeden IT-lers sein. Und ist oft auch die gängigste Lösung für streikende Technik. Aber was hat es eigentlich mit dieser Allzweck-Problembehebung auf sich?

Ich habe gerade damit begonnen, diesen Artikel zu schreiben, da beginnt mein Monitor damit, Faxen zu machen. Also nicht die Urzeit-Version der E-Mail, ich meine einen Anzeigefehler. Nahezu instinktiv greife ich zum Kabel auf der Rückseite und ziehe es heraus. Ein paar Sekunden später stecke ich es wieder ein, et voilà: Das Problem ist behoben.

Es dürfte allen hier schon mal passiert sein: Die Fehler-LED auf dem Router blinkt, der Fernseher stockt oder der PC ist hängengeblieben. Und praktisch jedes dieser Probleme kannst du mit derselben Methode lösen. «Einfach mal aus- und wieder einschalten!», brüllst du wahrscheinlich innerlich gegen den Bildschirm. Oder sogar den Stecker ziehen, je nachdem.

Manchmal muss das Problem auch direkt an der Wurzel bekämpft werden.
Manchmal muss das Problem auch direkt an der Wurzel bekämpft werden.
Quelle: Dayan Pfammatter

Schon klar, aber wie kann eine augenscheinlich so banale Aktion als absolutes Wundermittel wirken? Was genau passiert beim berühmt-berüchtigten Aus- und wieder Einschalten?

Das Ding mit dem Arbeitsspeicher

Eigentlich will ich gar nicht zu sehr technisch ins Detail gehen. Aber für alle, die es interessiert, dennoch die Kurzfassung: Praktisch jedes elektronische Gerät verfügt über einen Mikrocontroller oder Mikrochip und einen Arbeitsspeicher. Dort werden laufende Programme betrieben und zwischengespeichert. Und da bekanntlich jede Software Fehler hat, kann es auch mal zu Störungen oder Aufhängern kommen.

In einem solchen Fall «verrennt» sich die Software in einer Situation, die von den Entwicklern nie vorgesehen war. Ein Ausweg aus dieser Situation wurde entsprechend nie programmiert, weshalb wir manuell nachhelfen müssen. Denn sobald der Strom genommen wird, werden alle Informationen aus dem Arbeitsspeicher – mitsamt Fehler – gelöscht. Fliesst wieder Strom, ist die Software auf den Startzustand zurückgesetzt – und das Problem ist meist behoben.

Wenn eine App Faxen macht, kannst du in den Einstellungen den Cache leeren.
Wenn eine App Faxen macht, kannst du in den Einstellungen den Cache leeren.
Quelle: Dayan Pfammatter

Ganz ähnlich funktioniert das übrigens auch, wenn du ein Programm auf dem PC via Taskmanager abmurkst oder den Cache einer App auf deinem Handy leerst.

Eine Analogie über Schlaf & Teleportation

Viel greifbarer wird das Ganze aber mit einer Veranschaulichung. Denn bei uns Menschen passiert oft etwas sehr Ähnliches: Dir steht eine wichtige Entscheidung bevor oder deine To-do-Liste quillt über. Eine solche Reizüberflutung kann bei uns eine regelrechte Paralyse auslösen und wir wissen nicht weiter. Der wohl gängigste Rat: Eine Nacht drüber schlafen.

Denn auch wir können uns gerne mal in «Wenns» und «Abers» verrennen und den Überblick verlieren. In solchen Fällen hilft es meist, einen klaren Kopf zu bekommen. Sei es durch einen Spaziergang, Tapetenwechsel oder eben eine Mütze Schlaf. Also ganz wie der Computerchip, der hin und wieder seinen Arbeitsspeicher leeren muss, um weiterhin einwandfrei zu funktionieren.

Ganz allgemein ist es übrigens empfehlenswert, deinen Rechner hin und wieder ganz auszuschalten.
Ganz allgemein ist es übrigens empfehlenswert, deinen Rechner hin und wieder ganz auszuschalten.
Quelle: Dayan Pfammatter

Ganz gut gefällt mir auch der Vergleich aus diesem Reddit-Thread: «Stell dir vor, du gehst einkaufen. Du kennst den Weg von dir Zuhause zum Laden gut, aber biegst unterwegs versehentlich falsch ab. Jetzt hast du dich verlaufen und findest weder zum Laden noch nach Hause. Wenn du aber wieder nach Hause teleportiert werden könntest, solltest du auch den Weg zum Laden wieder finden können, richtig? Das Aus- und Einschalten ist für deinen Computer wie das nach Hause teleportiert werden.»

PSA: Vorsicht beim Ausschalten!

Bevor du jetzt aber bei jedem kleinen Ruckler den Powerbutton drückst, noch eine kleine Warnung: Gerade bei PCs und Handys ist beim Aus- und wieder Einschalten immer Vorsicht geboten. Denn der Arbeitsspeicher speichert natürlich nicht nur die Fehler in der Software. Hier sind auch Dokumente, offene Websites und laufende Programme zwischengespeichert. Beim On/Off können wichtige Informationen und Inhalte verloren gehen. Meistens kannst du einfach nur das Programm schliessen, welches sich aufgehängt hat. Bevor du also den Stecker ziehst, ist der Taskmanager oft dein Freund und Helfer!

Titelbild: Dayan Pfammatter

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Dayan Pfammatter
Freier Autor

Praktisch seit ich denken kann fasziniert mich alles, was Tasten, Displays und Lautsprecher hat. Als Journalist mit Fokus auf Technik und Gesellschaft schaffe ich Ordnung im Dschungel aus Tech-Jargon und unübersichtlichen Spec-Sheets.


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