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Atari 2600+ im Test: Ein Nostalgie-Trip ohne Besonderheiten
Der Atari 2600+ ist eine Neuauflage der Kultkonsole aus den 70ern. Darauf kann ich Originalspiele und -Controller anschliessen. Viel mehr als moderne Anschlüsse bietet das Gerät aber nicht.
Retro ist in. Remakes wie «Super Mario RPG», Mini-Handhelds wie der Abernic RG Nano oder Konsolen-Nachbildungen wie der Atari 2600+ schiessen wie Pilze aus dem Boden. Letzterer ist Ataris neuster Wurf, um aus der Nostalgie für den legendären Game-Hersteller Kapital zu schlagen.
Der Atari 2600+ sieht auf den ersten Blick genauso aus wie das Original von 1977. Würde ich beide nebeneinander stellen, würde der Grössenunterschied jedoch sofort auffallen. Der Atari 2600+ ist wesentlich kompakter. Auch das Vier-Schalterlayout entspricht nicht dem braun-schwarzen Atari VCS, wie das Gerät ursprünglich hiess. Stattdessen hat man sich beim Atari 2600+ an der ersten Revision von 1982 orientiert. Mit dieser folgte auch die Bezeichnung Atari 2600.

Quelle: Philipp Rüegg
Kein Emulator
Aber was ist der Atari 2600+ überhaupt? Bei der Konsole handelt es sich um eine originalgetreue Nachbildung, mit etwas modernerer Hardware und ein paar Komfortfunktionen. Dazu zählt ein HDMI-Anschluss und ein Schalter, um vom 4:3-Format auf 16:9 umzustellen. Dafür fehlt der Antennenanschluss, um das Gerät an alte Röhrenfernseher anzuschliessen. Aber wer noch so ein Monstrum zuhause herumstehen hat (wie ich), der hat wohl auch noch einen alten Atari (auch ich).

Quelle: Philipp Rüegg
Im Inneren des Atari 2600+ steckt ein Rockchip-3128-SOC-Mikroprozessor mit 256 Megabyte RAM und 256 Megabyte Speicher. Das klingt nach wenig, reicht aber allemal aus, um Atari-Spiele zu zocken. Zum Vergleich: Im Original steckt ein 8-Bit-Mikroprozessor mit 128 Byte RAM und 1,18 MHz Leistung. Speicher gibt es hier nicht. Die Spiele werden direkt von den Modulen geladen. Das gilt auch heute noch. Der Atari 2600+ ist kein Emulator und besitzt auch keine Zusatzsoftware wie beispielsweise ein Analogue Pocket. Alles, was ich damit machen kann, ist Games des Atari 2600 und Atari 7800 darauf spielen. Der Verpackung liegt ein Multimodul bei, das zehn Spiele enthält. Genau wie die alten Spiele kann ich auch meinen Original-CX-40-Controller verwenden, falls ich ein Spiel zu zweit zocken möchte. Meinem Testmuster liegen drei weitere Spiele sowie zwei CX30-Paddle-Controller bei.
Ein sehr kurzweiliger Spielspass
Zeit, den Spass auszuprobieren. Dank HDMI kann ich den Atari 2600+ direkt an meinen OLED-Fernseher anschliessen. Strom gibt es über USB-C. Ein Kabel wird mitgeliefert, das Netzteil muss ich selber organisieren. Danach kann der Nostalgietrip losgehen. Der Atari 2600 ist eine der ersten Konsolen, mit der ich gespielt habe. Längst habe ich meine Retro-Sammlung um einen Atari 2600 Junior ergänzt. Die Nachbildung des grösseren Bruders weckt die gleichen, nostalgischen Gefühle.
Die Regler, um das Gerät einzuschalten, zu resetten oder um zwischen verschiedenen Spielmodi hin- und herzuwechseln, besitzen einen angenehmen Widerstand. Kein Vergleich zu den heutigen Knöpfchen wie sie PS5 und Co. besitzen. Ein nettes kleines Detail ist, dass das Atari-Logo aufleuchtet, wenn die Konsole eingeschaltet ist.

Quelle: Philipp Rüegg
Die Klötzchen-Grafik, die aus maximal 128 Farben besteht – beim europäischen PAL sinds sogar nur 104 – ist herrlich rudimentär. Hier braucht es noch Fantasie, um in «Adventure» einen Helden zu erkennen oder in «Missile Command» ein Raumschiff, das Raketen abwehrt. Dazu gibt es diese archaischen, aber ikonischen Atari-Piepsgeräusche. Ich liebe sie. Komplexere Klänge waren aus dem Chip nicht herauszukitzeln.
Der Joystick, der in acht Richtungen bewegt werden kann und sonst lediglich eine Taste besitzt, muss niemandem erklärt werden. Das Rumgefuchtel ist deutlich grobmotorischer als mit heutigen Analog-Sticks. Aber das macht den Atari 2600 auch aus.


Quelle: Philipp Rüegg
Etwas filigraner sind die beiden Paddle-Controller. Sie werden über einen gemeinsamen Stecker angeschlossen und bestehen aus Drehregler und einer Taste. Damit kann ich Spiele wie «Breakout» oder «Night Driver» zocken. In «Canyon Bomber» könnte ich damit ausserdem gegen eine andere Person antreten. Eine solche Situation ist aber nicht absehbar. Wenn meine Kumpels zum Gamen kommen, dann haben wir definitiv spannendere Optionen, als auf einer über 40 Jahre alten Konsole zu zocken. Denn mehr als ein paar Minuten können mich die Spiele nicht bei Stange halten – selbst mein persönlicher Favorit «Defender» nicht. Dafür sind sie dann doch zu sehr aus der Zeit gefallen. Das gilt auch für «Mr. Run and Jump». Einem neuen Spiel für den Atari 2600, bei dem ich einem Hund nachrennen und dabei Hindernissen ausweichen muss. Es kann separat erworben werden.
Fazit: etwas mager, aber für Nostalgiker in Ordnung
Der Atari 2600+ ist ein tolles Gerät, wenn du mit nahezu Original-Hardware in Nostalgie schwelgen möchtest. Oder auch, um die Anfänge der Game-Branche aus erster Hand zu erleben. Dank HDMI-Anschluss funktioniert die Konsole problemlos an modernen Fernsehern oder Monitoren. Spiele musst du selber auftreiben. Enthalten ist immerhin eine Kassette mit zehn Titeln.

Quelle: Philipp Rüegg
Schade ist, dass Atari softwareseitig nichts gemacht hat. Die Integration der «Atari 50 Collection» – einer interaktiven Dokumentation über Atari – hätte perfekt gepasst oder die Inklusion von «Mr. Run and Jump». Auch über eine Rückspulfunktion, Cheats oder dergleichen hätte ich mich gefreut. Der Atari 2600+ ist eine leicht modernisierte Nachbildung eines Stücks Spielgeschichte ohne Schnickschnack. Wenn du keine Lust hast, das Original aufzustöbern und einen riesigen Röhrenfernseher zu kaufen, bist du mit dem Atari 2600+ gut beraten.
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Als Kind durfte ich keine Konsolen haben. Erst mit dem 486er-Familien-PC eröffnete sich mir die magische Welt der Games. Entsprechend stark überkompensiere ich heute. Nur der Mangel an Zeit und Geld hält mich davon ab, jedes Spiel auszuprobieren, das es gibt und mein Regal mit seltenen Retro-Konsolen zu schmücken.