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Apple Watch Ultra im Hands-On: Mit dem Ferrari in der 30er-Zone
Lange Laufzeit, helles Display, ein Action-Button und viel Software für sportlich aktive Menschen – das ist die Apple Watch Ultra. Mein erster Eindruck ist gut, doch ich kann die Funktionen der Uhr nicht ansatzweise ausschöpfen.
Das reguläre Modell der Apple Watch hat in diesem Jahr selbst für Enthusiasten wenig Anlass für Lobeshymnen geliefert. Ein paar neue Sensoren und die Systeme, die dir im Fall der Fälle vielleicht das Leben retten – das war es auch schon. Im hoffentlich unfallfreien Alltag kommst du auch mit älteren Apple-Watch-Modellen gut durchs Leben.
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Aber vielleicht willst du ein grösseres Display. Oder du gehörst zu der kleinen Gruppe, denen die Series 8 zu wenig kann: Der Akku ist zu schwach für einen Marathon. Sie hat kaum Funktionen für Taucher. Für Bergsport oder alles andere, wo es rau zu und her geht, ist sie zu fragil. Für diese Fälle verkauft Apple dir jetzt für knapp 850 Franken oder 1000 Euro die Apple Watch Ultra.
Gross, aber erstaunlich bequem
Als ich die Uhr auspacke, erschrecke ich ob der schieren Grösse: 49 mm misst das Gehäuse in der Länge, dazu ist es 14,4 mm dick. Für Leute, die sich grosse Uhren gewohnt sind, mag das kein Problem sein. Ich hingegen trage im Alltag gar keine Uhr – weder eine normale noch eine smarte. An meinem dünnen Handgelenk sieht die Ultra für mich riesig aus. Daran muss ich mich zuerst gewöhnen.
Für ihre Grösse fühlt sich die Ultra aber leicht an. Auf die Waage bringt das Gehäuse 61,3 Gramm. Vor allem aber ist sie eines: bequem. Wenn sie nicht gerade vibriert oder aufleuchtet, vergesse ich oft, dass ich sie trage. Das ist ein gutes Zeichen. Als völliger Uhren-Banause bin ich ausserdem beeindruckt von der perfekten Verarbeitung. Da wackelt nichts, die Spaltmasse sind perfekt, die Haptik der Knöpfe ist überragend. Das Armband kann ich problemlos selbst wechseln und es hält trotzdem bombenfest.
Auch das Material überzeugt mich. Das Titangehäuse wirkt robust, das Saphirglas ist von einer winzigen Lippe gegen Stösse von der Seite geschützt. Rund um die Uhr verläuft die GPS-Antenne, die dadurch laut Apple einen besseren Empfang hat.
Tolles Display, lange Laufzeit
Beim Display hat Apple mit einer Helligkeit von 2000 Nits richtig aufgedreht. Zum Vergleich: die reguläre Series 8 leuchtet «nur» mit 1000 Nits. Ich habe keinen direkten Vergleich, kann aber sagen: Auch in hellem Licht kann ich die Ultra noch ablesen – wobei die Glasscheibe je nach Winkel natürlich stark spiegelt. Auch sonst ist das Display eine Freude, was Kontrast und Farben anbelangt. Durch die Grösse funktioniert zudem die Touch-Bedienung besser als bei kleineren Modellen. Wenn es sein muss, lässt sich sogar eine Nachricht tippen. Nur für den Fall, dass du sie nicht per Siri diktieren willst.
Wer bisher eine Apple Watch nutzt, kennt das Ritual: Einmal am Tag muss die Uhr an den Strom. Bei der Akkulaufzeit konnte Apple bisher nicht punkten und verlor den Vergleich mit den Smartwatches von Sport-Spezialisten wie Garmin. Wer aber Marathonläuferinnen oder Mehrtageswanderer als Käufer gewinnen will, muss mehr Laufzeit bieten. Das tut Apple mit der Ultra tatsächlich: Im grösseren Gehäuse ist Platz für einen grösseren Akku. 36 Stunden ohne Aufladen garantiert Apple, in der Praxis ist es bei mir in der ersten Woche sogar mehr. Die Ultra hat auch nach zwei Tagen noch 20 bis 30 Prozent übrig. Das dürfte aber stark variieren, je nachdem wie oft man Funktionen wie GPS benutzt.
Mit einem neuen Stromspar-Modus, der irgendwann demnächst als Update kommen soll, soll die Laufzeit sogar auf 60 Stunden steigen. Ob das klappt und welche Funktionen dafür vielleicht abgeschaltet werden, finde ich erst im Langzeittest heraus.
Telefonieren wie ein FBI-Agent
Wenn du schon mit der Apple Watch telefoniert hast, kennst du das wahrscheinlich: Es ist nur knapp zu verstehen, was das Gegenüber sagen will. Und auch umgekehrt bittet die Gesprächspartnerin ziemlich sicher bei jedem zweiten Satz um eine Wiederholung. Die Ultra kann das besser. Sie hat drei Mikrofone und zwei Lautsprecher. Tatsächlich kann ich mit einem Freund ein ganzes Telefonat führen, in dem sich beide Seiten einwandfrei verstehen – auch wenn ich auf den Balkon gehe, wo die nahegelegene Baustelle zu hören ist. Beeindruckend. Natürlich sieht es trotzdem weiterhin komisch aus, in eine Uhr zu sprechen. Ich fühle mich wie die Karikatur eines FBI-Agenten.
Richtig laut wird es, wenn du die Alarmfunktion aktivierst. Dann sendet die Uhr ein 86 Dezibel lautes Signal in die Umgebung, das im Fall der Fälle Helfer und Helferinnen den Weg zu dir weist. 86 Dezibel bewegen sich gemäss Lärmtabelle zwischen dem Lärm an einer Hauptverkehrsstrasse und dem Knallen einer Tür. In meinen Ohren ist der schrille und hochfrequente Alarm in Innenräumen fast unerträglich laut. Wie weit man ihn im Freien hören kann, muss ich aber noch testen. Hier ein Video, wie die Sirene klingt:
Die Ultra kann mehr, als ich brauche
Der ganze Witz an der Apple Watch Ultra sollen aber ihre Funktionen für Outdoor-Sportler sein. Sie soll Tauchcomputer, dedizierte GPS-Uhren und solche für Fitness ersetzen können. In Sachen Akkulaufzeit dürfte das schwierig werden: Uhren wie die Coros Vertix 2 – hier geht es zum Testbericht von Kollege Patrick Bardelli – halten bis zu 60 Tage durch, Tauchcomputer oft noch länger. Doch diese Geräte haben sehr enge Anwendungsgebiete – die Apple Watch Ultra kann nebst den neuen Sportfunktionen alles, was eine normale Apple Watch auch kann. Wenn du mit ihr ein spezifisches Gerät und gleichzeitig eine normale Smartwatch ersetzt, relativiert sich der stolze Preis.
Die Spezialfunktionen konnte ich noch nicht testen, deshalb hier für den Moment nur die wichtigsten Eckdaten: Die Ultra ist bis zu 100 Meter wasserdicht, Apple empfiehlt sie uneingeschränkt bis in 40 Metern Tiefe. Mit Oceanic+ entwickelt ausserdem ein grosser Name der Szene eine Tauch-App, die demnächst rauskommen soll. Für Läufer könnte alleine der zusätzliche Action-Button den Unterschied machen – mit ihm lässt sich zum Beispiel die Stoppuhr bedienen, ohne mit verschwitzten Fingern auf dem Touchscreen rumzutippen. Auch für Wanderer und Alpinistinnen wichtig dürfte das Dual-Band-GPS sein. Mit der «Backtrack»-Funktion kannst du den Weg, den du gegangen bist, zurückverfolgen.
Die breite Kundschaft dürfte all das gar nicht brauchen. Viele Apple-Fans wollen womöglich einfach die beste Smartwatch mit guter Akkulaufzeit, grossem Display und den neuesten Funktionen in einem robusten Gehäuse. Auch ich nutze die Ultra bisher nur für alltägliche Sachen, für die ich genauso gut mein iPhone nehmen könnte. Da das Luxus-Modell aber auch Mobilfunkanbindung hat, kann ich mein Handy eher mal zuhause lassen. Mit dem grösseren Display und den guten Mikrofonen kann ich bei Bedarf sogar vernünftig kommunizieren. Ich freue mich deshalb auf die erste Kletter-Session, zu der ich kein Telefon mitnehmen muss – und bin gespannt, ob die Apple Watch Ultra dann auch direkten Felskontakt übersteht. Bis dahin fühle ich mich, als würde ich einen Ferrari in der 30er-Zone fahren.
Mein Fingerabdruck verändert sich regelmässig so stark, dass mein MacBook ihn nicht mehr erkennt. Der Grund: Wenn ich nicht gerade vor einem Bildschirm oder hinter einer Kamera hänge, dann an meinen Fingerspitzen in einer Felswand.