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«Als Süsswasserpiraten wurden wir zuerst total belächelt»
![Siri Schubert](/im/Files/7/5/0/9/9/7/9/0/20140923_portugal_0581.jpg?impolicy=avatar&resizeWidth=40)
Balz Müller und Michael Näf sind Schweizer Pioniere in der internationalen Wing-Foil-Szene. Durch neue Tricks und Ideen für die Materialentwicklung haben sie die Trendsportarten wesentlich mitgeprägt. Im Interview erzählen sie, was den Sport so faszinierend macht und warum sie so gerne in der Schweiz übers Wasser fliegen.
Über seine Jugend sagt Balz Müller, dass er wahrscheinlich mehr Zeit windsurfend auf dem Bieler See als auf festem Boden verbracht hat. Heute ist er einer der Pioniere im Wing-Foilen, der den Sport durch atemberaubende Tricks, seinen Beitrag zur Materialentwicklung und durch seinen ununterdrückbaren Enthusiasmus nach vorne bringt.
Michael Näf ist seit fünf Jahren Fans des Pump-Foilens, einer Sportart, bei der ein Brett mittels Muskelkraft zum Schweben auf einem Tragfügel gebracht wird. Mit seinem Hintergrund im Windsurfen und Wing-Foilen ist er fast täglich auf dem Wasser, mit Vorliebe auf dem Vierwaldstätter See.
Beide Sportler habe ich auf der weltgrössten Wassersportmesse «Boot» in Düsseldorf zu einem Gespräch getroffen.
Könnt ihr erklären, was die neuen Wassersportarten Wing-Foilen, Pump-Foilen und SUP-Foilen für euch bedeuten?
Balz Müller: Für mich bedeutet Wassersport Fun Boarden, also Spass auf dem Wasser und in der Natur zu haben. Es ist wie ein Spielplatz für erwachsene Kinder.
Michi Näf: Das Faszinierende am Foilen ist für mich das Fliegen über das Wasser. Es ist ein echtes Freiheitsgefühl – wie Surfen auf Wolke Sieben. Und ich liebe es, dieses Erlebnis mit Freunden zu teilen. Zum Beispiel mit Balz. Es ist immer ein Spektakel mit uns zusammen auf dem Wasser.
Wann habt ihr angefangen mit dem Wingen?
Balz: Eigentlich fast bei der Geburtsstunde der neuen Sportarten. Ich hatte einen der ersten Wings in der Schweiz in der Hand. Das war 2019 und es war Liebe auf den ersten Blick. Beim Wing-Foilen habe ich immer noch Schmetterlinge im Bauch. Für mich verbindet es alle Wassersportarten: das Surfen, Windsurfen und Kiten. Es ist dieser Mix, der es perfekt für mich macht. Am ersten Tag war ich acht Stunden auf dem Brett und sofort süchtig.
In welchen Wassersport-Disziplinen wart ihr vorher aktiv?
Balz: Ich bin jetzt 30 Jahre alt und Windsurfen fasziniert mich seit 23 Jahren. Mit den Foils wurde das Gleiten auf dem Wasser zum Fliegen übers Wasser. Und mit den Wings wurden die Möglichkeiten noch verrückter.
Mehr über die neuen Trendsportarten erfährst du hier:
Michi: Mich hat es auch sofort gepackt. Balz und ich waren von der ersten Stunde an dabei und haben jeden Tag neue Tricks probiert. Das war wirklich täglich ein Abenteuer. Und dann kam noch das Pump-Foilen dazu, bei dem man gar keinen Wind mehr braucht, um das Fliegen zu erleben und die Freiheit zu spüren.
Balz: Das geht bei uns in der Schweiz an 365 Tagen im Jahr (lacht).
Ihr habt euch international in der Rennszene einen Namen gemacht. Was waren bisher eure grössten Erfolge?
Balz: Die ersten internationalen Freestyle-Wing Events konnte ich zusammen mit meiner Frau Eva gewinnen. Wir haben uns das Podest geteilt. Es ist megacool, wenn man als Pionier einen Sport prägen kann und Teil der Evolution ist. Das war 2020. Auch in den folgenden Jahren gelangen mir sehr gute Resultate. Vergangenes Jahr war ich immerhin noch Dritter an einzelnen Tourstops. Und dass ich als wahrscheinlich Ältester auf der World-Tour immer noch einen Einfluss habe, ist schon cool. Jetzt ist es spannend zu sehen, wie die akrobatische Jugend das Zepter übernimmt.
Michi: Für mich war das erste Highlight das Rennen der Global Wingsports Association in Silvaplana 2020. Das Material war noch längst nicht da, wo es heute ist, wir haben uns die Lungen ausgepumpt (lacht). Jeder kam mit unterschiedlichen Boards, Wings und Foils: Ein Racer hatte ein so kleines Brett dabei, dass er gar nicht aus dem Wasser kam und als wir über die Ziellinie fuhren, stand er immer noch am Start fast bis zum Hals im Wasser. Seither hat sich viel getan.
Balz: Plötzlich ging es Schlag auf Schlag. In Brasilien nahmen wir am ersten internationalen Rennen teil. Wir als Binnenland-Surfer hatten wirklich Mühe in der Brandung, wir wurden von den Wellen durchgespült. Und trotzdem konnten wir uns beweisen und haben Podestplätze geholt. Das war ein tolles Erlebnis.
Wie haben die Racer aus den Ozean-Nationen Hawaii, Brasilien, Südafrika und Japan euch gesehen?
Balz: Wir wurden als Süsswasserpiraten zuerst total belächelt. Wir haben uns aber auch echt dumm angestellt in der Welle. Gerade bei diesem ersten Event habe ich durch Ungeschicklichkeit Geschichte geschrieben (lacht). Ich habe einen Sprung gemacht und die Welle kam von hinten und hat mich voll auf den Sand gespült. Die Bilder haben mich berühmt gemacht, aber nicht im guten Sinn (lacht).
Michi: Aber wir haben gelernt und uns den Respekt der Hawaiianer verdient.
Balz: Wir in der Schweiz wollen ja eigentlich alle Surfer sein. Wir wollen das Gefühl haben, die Welle herunterzugleiten. Mit dem Foil, also der Tragfläche, kannst du eine 50 Zentimeter Welle surfen und hast das Gefühl, du rauscht eine hawaiianische Welle hinunter. Mit den Foils hat sich das Mekka des Surfsports ein Stück weit weg von Hawaii auf die moderaten Binnengewässer verschoben. Wenn du die kleinste Welle surfst, hast du das Gefühl, du seist irgendwo auf dem Meer. Und dass Weltcup-Rennen hier in der Schweiz stattfinden, ist ja auch ein Zeichen.
Michi: Es ist wirklich unglaublich, wer hätte gedacht, dass wir jemals hier in der Schweiz so Wellenreiten können und das über lange Strecken hinweg.
Balz: Auf dem Neuenburger See habe ich bei Wind praktisch die längste Welle meines Lebens gesurft. Ich bin mit dem SUP-Foil-Board auf den See gegangen und habe eine Welle nach der anderen erwischt. Das war ein 20 Kilometer langes Surfen allein auf dieser riesigen Wasserfläche. Auch wenn es ein See ist, kommst du dir ganz klein vor inmitten der Naturgewalten. So kannst du hier in der Schweiz unglaubliche Abenteuer erleben.
Ihr seid Teamfahrer der Marke Ensis und dabei auch an der Entwicklung von neuer Ausrüstung beteiligt. Was bedeutet das für euch?
Balz: Die Sportart ist noch sehr jung und das Material verbessert sich praktisch ständig. Es ist mega toll, an diesem Prozess beteiligt zu sein.
Michi: Bisher kam das neue Wassersport-Material fast immer aus Hawaii oder aus anderen Ozean-Nationen. Das ist bei Ensis anders. Wir entwickeln Material in der Schweiz für Schweizer Gewässer. Es ist auf jeden Fall ein Kindheitstraum, so stark in der Wassersport-Branche involviert zu sein.
Wie leicht ist es denn für Anfänger, diese neuen Sportarten zu lernen?
Michi: Es ist sicher einfacher, Wing-Foilen, Sup-Foilen oder Pump-Foilen auf Schweizer Seen zu lernen als auf dem Meer mit Brandung, Strömung, Seitenwellen und Kabbelwasser.
Balz: Das Sup-Foilen lernt man nicht auf Anhieb und sicher nicht in einer Stunde. Es braucht schon etwas Frustrationstoleranz und einige Stürze, bis es gelingt. Aber das ist der Vorteil am Wassersport: Es schmerzt nicht, wenn du fällst. Du kannst immer wieder aufs Brett steigen und es wieder probieren. Bis es geht. Dazu musst du deine Komfortzone erweitern. Ich würde dennoch sagen: Alle, die motiviert sind und ihre Balance verbessern möchte, können mit dem Foil abheben.
Michi: Es hilft natürlich, wenn du schon Erfahrung mit anderen Brettsportarten hast. Mit Kiten, Windsurfen, Wellenreiten, Skateboarden. Auch ein Balance-Board hilft. Aber es ist absolut faszinierend: Jeder, der einmal mit dem Foil übers Wasser geschwebt ist, will nicht mehr zurück.
![Ganz einfach ist das Fliegen übers Wasser nicht. Am Anfang braucht es Geduld und einige Versuche.](/im/Files/7/5/6/4/6/5/2/1/1_ENSIS-WALTZ_For-ambitious-discoverers-to-experts.jpg?impolicy=resize&resizeWidth=430)
Quelle: Ensis
Balz: Bei Ensis legen wir bei der Materialentwicklung grossen Wert auf die Einsteigerabteilung. Wir bieten spezielle Soft-Top-Boards an, die das Lernen einfacher machen. Klar, wir sind eine Premium-Marke und legen Wert auf Qualität. Aber genauso wichtig ist es uns, dass jüngere und ältere Leute diesen Sport komfortabel erlernen können und Fortschritte sehen.
Worauf müssen Einsteiger und Einsteigerinnen noch achten?
Balz: Sicherheit hat bei uns einen hohen Stellenwert. Wir haben von Anfang an Helme entwickelt, denn kluge Köpfe schützen sich. Das ist wie beim Velofahren und beim Snowboarden. Und gilt für Einsteiger wie für Profis. Ohne Helm darfst du bei Competitions nicht starten.
Michi: Mit uns geht niemand aufs Wasser, der keinen Helm und keine Prallschutzweste trägt. Wir schauen auch immer, dass die Sicherheitsausrüstung an Testtagen vorhanden ist. Es ist wichtig, gute Produkte zu haben und den Sport von einer Schule oder erfahrenen Foilern zu lernen. Diese Voraussetzung ist notwendig, um das Foil-Erlebnis auf ein neues Level zu heben.
Titelfoto: Ensis![User Avatar](/im/Files/7/5/0/9/9/7/9/0/20140923_portugal_0581.jpg?impolicy=avatar&resizeWidth=96)
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Forschungstaucherin, Outdoor-Guide und SUP-Instruktorin – Seen, Flüsse und Meere sind meine Spielplätze. Gern wechsel ich auch mal die Perspektive und schaue mir beim Trailrunning und Drohnenfliegen die Welt von oben an.